Meine Wirtschaftswoche

In dieser Kolumne soll es um den Unterschied zwischen köstlich und künstlich gehen und was das alles mit einer kommenden Krise zu tun hat. Zunächst zu den Zahlen: Im Durchschnitt isst jeder Deutsche pro Jahr 9,67 Kilogramm Schokolade.

Das hat das Statistische Bundesamt zumindest für das Jahr 2012 ermittelt. Da sich Kinder (elternbedingt) und Menschen mit Diabetes-Erkrankungen (gesundheitsbedingt) etwas zurückhalten müssen, liegt der Wert für die meisten von uns vermutlich sogar noch höher. Saisonal wird die meiste Schokolade in den Wochen um die Weihnachtsfeiertage konsumiert. Dabei geht der Trend zu Produkten aus besonders hochwertiger Kakaomasse und -butter. Diese Vorliebe für Süßes teilen wir neuerdings mit den neuen Mittelschichten in China und Indien. Also alles in bester (Kakao-)Butter? Mitnichten die Wirtschaftsagentur Bloomberg hat eine etwa angegraute Studie der weltweiten größten Schokoladen-Produzenten Mars und Barry Callebaut ausgegraben, die uns eine Mangelgesellschaft prophezeit. Kurz zusammengefasst. Die Kakao-Nachfrage übersteigt bereits jetzt das Angebot. 2013 aß die Welt etwa 70 000 Tonnen mehr Kakao als sie produzierte. 2020 soll die Unterproduktion bereits bei einer Million Tonnen liegen. Von Genießerpanik soll an dieser Stelle aber abgeraten werden. Auch wenn man es beim Versuch, Schoko-Weihnachtsmänner einen Tag vor Nikolaus zu kaufen, kaum glauben mag: Hamsterkäufe haben in Deutschland noch nicht eingesetzt. Dem Defizit steht zum Jahresende noch ein weltweiter Lagerbestand von drei Millionen Säcken (à 65 Kilogramm) Kakao gegenüber. Das bedeutet zwar einen Rückgang um 40 Prozent zum Jahresanfang, ist aber noch weit von historischen Tiefstständen entfernt. Das größte Problem dürfte für die verwöhnten deutschen Verbraucher jedoch die Ankündigung der Schokokonzerne sein, auf die Rohstoffkrise mit Produkten in neuen Zusammensetzungen reagieren zu wollen. Übersetzt heißt das, der Kakaoanteil soll künftig gestreckt werden, die Schokolade wird damit künstlicher. Wer allerdings schon Analogkäse und Klebefleisch nicht besonders lecker findet, muss dann in den sauren Apfel beißen und für "echte" Schokolade künftig deutlich mehr bezahlen. t.zeller@volksfreund.de

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