Mit dem Tuchmachen fängt alles an

Der Spruch "Die Dicken zu uns" machte das Modehaus Marx in den 1990er Jahren als Anbieter von Sondergrößen nicht nur in Trier bekannt. Begonnen hat die Geschichte des Familienunternehmens viel früher: vor 175 Jahren mit dem Tuchmacher Joseph Marx. Heute ist die sechste Generation am Zug.

Trier. 1835. Mark Twain kommt auf die Welt. Die erste deutsche mit Dampf betriebene Eisenbahn, der Adler, fährt von Nürnberg nach Fürth. Karl Marx macht sein Abitur am Trierer Friedrich-Wilhelm-Gymnasium. Und sein Namensvetter, Joseph Marx, gründet im Haus Am Breitenstein 102 in Trier seinen eigenen Betrieb: "Jos. Marx Sohn" markiert den Beginn einer nun 175-jährigen Geschichte - der Geschichte des Modehauses Marx.

Insolvenz als Alptraum



Joseph Marx ist Tuchmacher wie sein Vater und übt damit ein Handwerk aus, das in Trier eine große Tradition, seine Blütezeit 1835 aber schon fast hinter sich hat.

Heute, 2010, ist das Tuchmachen längst passé, das Modehaus Marx jedoch immer noch am Breitenstein zu Hause - und immer noch ein Familienunternehmen. Eines, das auf Höhen und Tiefen zurückblicken kann, wie die heutige Geschäftsführerin Karin Kaltenkirchen weiß: "Im Zweiten Weltkrieg wurde das Geschäftsgebäude zerstört", sagt die 40-Jährige, die 1998 als Vertreter der sechsten Generation ins Unternehmen kam.

Der Chef, Alfons Scheers, landet nach dem Kriegsende in russischer Kriegsgefangenschaft. Bis 1948 leitet sein Onkel Georg Marx mit Scheers' Frau Marianne die Geschicke der Firma. "Scheers war der letzte aus der Marx-Familie, der das Unternehmen leitete", erzählt die Textilbetriebswirtin. Denn später beteiligt sich Kaltenkirchens Vater Reinhard Hauser am Geschäft, ein Freund der Familie. "Es gab aber schon früher Verbindungen", sagt Kaltenkirchen. "Meine Großmutter kannte die Familie bereits, hat dort nach dem Krieg Stoffbücher geklebt." Diese Stoffbücher waren zu Zeiten, als das Modehaus noch ein Tuchversand war, die Muster, die an Kunden verschickt wurden. Erst 1976 konzentriert sich das Unternehmen auf Konfektionsware. Als Alfons Scheers 1977 stirbt, tritt seine Frau Marianne die Nachfolge als Inhaberin an, Hauser wird Geschäftsführer.

Die Seniorchefin stirbt 2006 im Alter von 94 Jahren. Damit erlebt sie noch eines der düstersten Kapitel der Firmengeschichte.

2002 muss das Modehaus Marx, inzwischen auch mit Filialen in Mainz und Bingen vertreten, Insolvenz anmelden. "Das war wirklich ein Alptraum", sagt Kaltenkirchen. Der war elf Monate später vorbei - im Mai 2003 wird die Insolvenz aufgehoben, fortan konzentriert sich das Unternehmen allein auf Trier. Heute gibt es Damen- und Herrenmode für ein breites Publikum auf 3200 Quadratmetern, immer noch am Breitenstein, dort, wo früher der Klerus den Weberbach überquerte.

Hat sich in all den Jahren Grundlegendes am Geschäftemachen geändert? Ist heute alles professioneller, durch Marktforschung fundiert, zielgruppengerecht präsentiert? "Klar wusste man früher noch nicht, welche Bereiche sich Kunden im Geschäft zuerst anschauen", sagt Kaltenkirchen, ist aber nicht der Ansicht, heute sei alles professioneller. "Es war schon immer wichtig, das zu haben, was die Kunden wollen." Vielleicht hat das damals auch schon Joseph Marx gewusst - und damit die Grundlage geschaffen, dass heute, 175 Jahre später, am Breitenstein die Sektkorken knallen. Chronologie 1. Juli 1835: Joseph Marx gründet den Tuchmacherbetrieb Jos. Marx Sohn. 1888: Joseph Marx stirbt, sein Nachfolger Nicolas (seit 1874) zählt zu den 400 reichsten Einwohnern Triers. 1904: Das Nachbarhaus Am Breitenstein 3 wird gekauft. 1906: Sohn Georg übernimmt das Geschäft nach dem Tod seines Vaters. 1911/12: Haus Am Breitenstein 1 kommt hinzu. 1948: Rückkehr Alfons Scheers' aus der Kriegsgefangenschaft. 1958: Erstmals wird Konfektionsware in den Großhandel aufgenommen. 1968: Der Groß- wird zum Einzelhandel. 1976: Der Tuchverkauf wird ganz aufgegeben. 1977: Marianne Scheers wird Inhaberin, Reinhard Hauser Geschäftsführer. 1990: Nach Umbau nun 3000 Quadratmeter Verkaufsfläche, Filiale in Bingen, in Mainz 1991. 2001: Erneuter Anbau, das "Maison de France" wird integriert. 2002: Insolvenz, 2003 wieder aufgehoben. 2006: Marianne Scheers stirbt. 2010: 175. Geburtstag des Betriebs.

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