Nahles gibt beim Mindestlohn Gas

Berlin · Andrea Nahles drückt weiter aufs Tempo. Nachdem ihr umstrittenes Rentenpaket bereits vom Kabinett verabschiedet wurde, konzentriert sich die SPD-Politikerin jetzt auf das nächste Mega-Projekt, den allgemeinen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro.

Berlin. Das Bundesarbeits- und sozialministerium verschickt derzeit ein Schreiben an die Spitzen von Gewerkschaften und Arbeitgebern mit der Aufforderung, "in Stellungnahmen bestehende Probleme darzulegen", die sich bei der Einführung einer allgemeinen Lohnuntergrenze zum 1. Januar 2015 ergeben könnten.
Dem Papier, das unserer Zeitung vorliegt, ist ein Katalog mit zwölf Fragen beigefügt. Die Antworten sollen einen detaillierten Aufschluss zum Beispiel über die bestehenden Tarifstrukturen, den Anteil der Auszubildenden und die Wettbewerbssituation der vom Mindestlohn betroffenen Branchen geben. Obendrein will Nahles wissen, welche Branchen das so genannte Arbeitnehmer-Entsendegesetz nutzen möchten. Dieses Instrument soll es ermöglichen, den geplanten Mindestlohn von 8,50 Euro noch für maximal zwei Jahre, also bis Ende 2016 zu unterschreiten.
Lösung im Dialog?


Und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen bereits geltenden oder in dem Übergangszeitraum neu abgeschlossenen Tarifvertrag handelt. Erst vor wenigen Wochen war ein Tarifvertrag für die Fleischindustrie ausgehandelt worden, der noch bis zum September 2015 eine Lohnuntergrenze von nur acht Euro festschreibt. Bis Ende 2016 steigt sie dann allerdings schrittweise auf 8,75 Euro.
Mit ihrem Schreiben an die Tarifpartner folgt Nahles einer Festlegung im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Demnach soll das Gesetz zum Mindestlohn "im Dialog" mit den Gewerkschaften und Arbeitgebern der betroffenen Branchen erarbeitet werden. "Alle Argumente, Informationen und Anregungen werden sorgsam ausgewertet, damit diese in dem anstehenden Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt werden können", versicherte Nahles.
Dass die Ministerin am Ende zu größeren Zugeständnissen bereit sein könnte, ist gleichwohl nicht zu erwarten. Schon kurz nach ihrem Amtsantritt hatte die Sozialdemokratin erklärt, den geplanten Mindestlohn ausnahmslos auf alle Arbeitnehmer zu erstrecken. Fest steht bislang nur, dass Auszubildende und ehrenamtlich Tätige außen vor bleiben werden, weil sie nicht unter die Gruppe der Arbeitnehmer fallen. Sowohl der Koalitionspartner Union als auch die Wirtschaft mahnen jedoch deutlich mehr Ausnahmen an. So hatte CSU-Chef Horst Seehofer angeregt, auch Saisonarbeitern und Rentnern den Mindestlohn vorzuenthalten.
Komplizierte Lage



Aus der CDU kamen Vorstöße, Studenten und Hilfsarbeiter auszuklammern. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer wiederum schlug einen Stufenplan bei der Einstellung von Langzeitarbeitslosen vor "um die Eingangshürde niedriger zu setzen".
Darüber hinaus gibt es Forderungen, junge Leute erst im Alter ab 21 oder 25 Jahren in den Mindestlohn einzubeziehen. Denn ansonsten, so die Argumentation, könnten manche lieber einen Aushilfsjob annehmen, anstatt sich ordentlich ausbilden zu lassen. Diese komplizierte Gemengelage brachte in der Unionsfraktion zuletzt eine neue Idee auf. "Der Gesetzgeber wird sich heillos verheddern, wenn er glaubt, alle Ausnahmen regeln zu können", sagte der Chef der Arbeitnehmergruppe, Peter Weiß (CDU), unserer Zeitung. Deshalb sei es besser, die vorgesehene Expertenkommission damit zu betrauen, die auch künftige Anpassungen des Mindestlohns prüfen soll
Doch erst einmal sind die Tarifpartner am Zug. Gewerkschaften und Arbeitgeber sind aufgefordert, bis um 7. März ihre Stellungnahmen bei Nahles einzureichen. Soll das Gesetz wie geplant zum 1. Januar 2015 inkrafttreten, müsste die Vorlage noch vor der Sommerpause im Bundestag verabschiedet werden.

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