Neue Einschnitte für alte Generation

BERLIN. Der Streit um die Arbeitsmarktreform ist noch nicht ausgestanden, da droht dem Kanzler bereits ein neuer Konfliktherd. Es geht um die Zukunft der Rentenversicherung.

Es ist ein heißes Eisen, mit dem sich die so genannteRürup-Kommission am Donnerstag einmal mehr befassen wird: diekünftige Ausgestaltung der Rentenreform. Möglicherweise könntennach dem Treffen erste Ergebnisse offiziell bekannt gegebenwerden. Was bislang nach außen drang, lässt weitere Einschnittefür die ältere Generation erwarten. Die Gewerkschaften, dasmachte DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer gestern deutlich, wollendiese Entwicklung nicht kampflos hinnehmen. Eigentlich hätten die Kritiker schon Mitte März gewarnt sein müssen. Damals referierte Gerhard Schröder im Bundestag über die bedrohlich steigende Arbeitslosigkeit und die wachsende Alterung der Gesellschaft. Sein Fazit: Es sei nötig, bei der Rentenversicherung "nachzujustieren". Mit dieser kurzen Bemerkung hatte der Regierungschef die Rentenreform seines vormaligen Arbeitsministers, Walter Riester (SPD), praktisch vom Tisch gewischt. Nach dem Willen des Kanzlers soll die nicht einmal zwei Jahre alte Formel zur Berechnung der Altersbezüge erneut geändert werden. Schon jetzt sind Renten-mindernde Faktoren eingebaut, die die Bezüge schrittweise von der allgemeinen Lohnentwicklung abkoppeln. So wirken sich zum Beispiel die Aufwendungen der Arbeitnehmer für die staatlich geförderten Privatvorsorge ("Riester-Rente") dämpfend auf die Zuwachse der Altersbezüge aus. Das gleiche gilt, wenn der Beitragssatz in der Rentenversicherung steigt. Aus derlei Gründen erhöhen sich die Altersbezüge in diesem Jahr nur um etwa ein Prozent.

Die Rürup-Kommission debattiert nun über weitere Maßnahmen, um die nach wie vor angespannte Finanzlage in der Rentenkasse zu entschärfen. Zum einen könnte das gesetzliche Rentenalter ab 2010 von 65 auf 67 Jahre steigen. Und zum anderen soll die Rentenformel um einen so genannten demographischen Faktor ergänzt werden.

DGB-Vize Engelen-Kefer hält solche Vorschläge für unannehmbar. Die Rentner hätten schon durch die Riester-Reform ihr Opfer gebracht. Außerdem sei die Anhebung des Renteintrittsalters "gleichbedeutend mit der Heraufsetzung der Rentenabschläge", kritisierte sie gegenüber unserer Zeitung. Falls die Rürup-Ideen verfolgt werden, muss sich nach Ansicht Engelen-Kefers auch der SPD-Sonderparteitag am 1. Juni damit beschäftigen.

Düstere Aussichten für Gerhard Schröder. Schließlich gehörte der demographische Faktor schon zur Rentenreform von CDU-Arbeitsminister Norbert Blüm. Die Genossen geißelten die Regelung damals als "sozialpolitisch unvertretbar". Bei ihrem Regierungsantritt im Jahr 1998 wurde das Gesetz gekippt.

Gut möglich, dass der Demografie-Faktor deshalb einen anderen Namen erhält. An der Maßnahme selbst kommt Rot-Grün aber nicht vorbei. Nach Erkenntnissen des CDU-Experten Andreas Storm könnte der Rentenbeitragssatz schon 2004 von 19,5 auf 20 Prozent steigen.

Im Bundessozialministerium heißt es, bis zum Oktober oder November müsse man eine Neuregelung für die Rentenformel finden. Um diese Zeit wird der Rentenbeitragssatz für 2004 festgelegt. Gleichwohl kann eine Korrektur der Rentenformel kaum für kurzfristige Entlastung in der Rentenkasse sorgen. Denn durch die ohnehin schon dürftigen Zuwächse bei den Altersbezügen ist der Spielraum für eine weitere Begrenzung nahezu ausgereizt.

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