Neue Rezepte für die Gesundheit

BERLIN. Die rot-grüne Bundesregierung will die Krankenkassenbeiträge von 2004 an deutlich senken. Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) und der Chef der zuständigen Reformkommission, Bert Rürup, haben am Donnerstag in Berlin für Mai ein Gesamtkonzept angekündigt.

Die Verwirrung um die offizielle Bekanntgabe der Reformpläne von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte zuletzt absurde Ausmaße erreicht. "Wir werden zeitnah informieren", verkündete ein Ministeriumssprecher vor zwei Tagen. Dabei war ganz am Anfang schon mal vom Monat Januar die Rede gewesen. Später kamen März oder April ins Spiel. Zuletzt hieß es, nur eine Arbeitsgruppe der Rürup-Kommission würde am Donnerstag von den Plänen erfahren. Schließlich dämmerte dem Kanzler, dass es so nicht weiter gehen konnte. Deshalb trat Ulla Schmidt gestern vor die Presse, um ihre Reform-Eckpunkte zu präsentieren. Interessanter noch als der schon weitgehend bekannte Katalog von der Stärkung des Hausarztes bis zur Patientenquittung war allerdings der von ihr verkündete Fahrplan für das Gesamtkonzept. Ursprünglich wollte sich die Ministerin nur um die Ausgabenseite kümmern. Gemeint sind Qualitätsmängel und Defizite bei der Effizienz. Die Stichworte lauten "Fehl-, Über- und Unterversorgung". Unabhängig davon sollte sich die Rürup-Kommission mit den Einnahmen der Krankenversicherung beschäftigen. Hier steht zum Beispiel die Frage an, ob sich das System in Zukunft neben den Beiträgen auf die Arbeitseinkommen auch durch andere Quellen (wie Miet- oder Zinseinnahmen) finanzieren lässt. Die Union, die kraft ihrer Mehrheit im Bundesrat eine Reform scheitern lassen könnte, will über die Einnahmen und Ausgaben aber nur im Paket verhandeln. Auf diesen Kurs ist Schmidt nun eingeschwenkt: Im Mai soll es einen Gesetzentwurf geben, der beide Seiten berücksichtigt. Die Eckpunkte stießen in der Rürup-Arbeitsgruppe auf ein positives Echo. Daraus könne "ein großer Wurf" werden, meinte Rürup. Auch das Kommissionsmitglied Ursula Engelen-Kefer sprach gegenüber unserer Zeitung von einer "eindeutigen Unterstützung" der Anwesenden. So verspricht sich Schmidt etwa von der Patientenquittung auch eine stärkere Kontrolle über die tatsächlich erbrachten Arztleistungen. Bei der Zuzahlungen soll künftig nicht mehr die Größe der Arzneipackung entscheidend sein. Ein Bonus winkt, wenn der Patient regelmäßig an Vorsorgeuntersuchungen teilnimmt oder sich in ein Hausarztmodell einschreibt. Vor der Arbeitsgruppe ließ Schmidt allerdings auch erkennen, wie sie sich ein Straf-System vorstellt: So könnte künftig eine Gebühr für jene Facharztbesuche drohen, die nicht vom Hausarzt veranlasst wurden. Leistungsausgrenzungen der gesetzlichen Kassen, wie sie die Union bei der Zahnbehandlung plant, sind in Schmidts Konzept nicht vorgesehenen. Auch die von der Union favorisierten Selbstbehalte analog zur Auto-Kasko-Versicherung sucht man dort vergeblich. Die Opposition will erst einmal abwarten. "Schmidts Eckpunkte sind die eine Sache, ob sie dafür auch Rückendeckung in der Koalition bekommt, eine andere", sagte der CDU-Politiker Andreas Storm unserer Zeitung. Der Sozialpolitiker stützt sich bei seiner Überlegung auf ein Papier des Kanzleramts, dass zu Jahresbeginn bekannt wurde und weiter gehende Vorschläge enthielt. Die Positivliste, die nur noch von den Kassen anerkannte Medikamente enthält, sowie die geplante Verschärfung des Wettbewerbs für Apotheken will die Union nicht hin nehmen. Beide Maßnahmen gingen zu Lasten der Patienten, argumentierte Storm.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort