Neustart mit kleinen Pannen

Trier · Seit zehn Jahren wird am neuen Rheinland-Pfalz-Takt gearbeitet. In einer Woche startet das neue Konzept für den Regionalbahnverkehr. Was bringt das für die Reisenden in der Region?

Trier. Mit dem Direktor des zuständigen Zweckverbands Schienenpersonennahverkehr (SPNV) Nord, Thomas Geyer, sprach unser Redakteur Bernd Wientjes. Herr Dr. Geyer, am 13. Dezember fahren die letzen Fernzüge von und nach Trier. Einen Tag später startet das neue Nahverkehrskonzept, der Rheinland-Pfalz-Takt 2015. Soll damit der Fernverkehr ersetzt werden? Thomas Geyer: Notgedrungen ja, soweit wir das können. Allerdings reden wir über völlig unterschiedliche Systeme. Der Nahverkehr kann niemals so langlaufende Verbindungen anbieten, wie das der Fernverkehr tut.Die Bahn sagt, der Rheinland-Pfalz-Takt sei schuld, dass es keinen Fernverkehr mehr gibt. Stimmt das? Geyer: So etwas nennt man wohl Dolchstoßlegende. Wir haben von Anfang an versucht, unsere Planungen eng mit dem Fernverkehr zu koordinieren. Das ist auch in vielerlei Hinsicht gut gelungen. Leider konnte der Fernverkehr speziell für die Moselstrecke keine verlässliche Aussage über die Zukunft seiner Angebote machen. Da wir unsere Verkehre aber europaweit ausschreiben und dafür rund vier bis fünf Jahre Vorlauf brauchen, mussten wir für den künftigen Fernverkehr selbst Annahmen treffen.Also ist der Verlust des Fernverkehrs verschmerzbar? Geyer: Natürlich wäre es für das Image der Region wichtig, künftig wieder mit Fernverkehrszügen erreichbar zu sein. Aber solange die Deutsche Bahn gezwungen ist, die Züge des Fernverkehrs alleine über Fahrgelderlöse zu finanzieren, wird das in Randlagen der Republik immer schwierig bleiben. Es wäre an der Zeit, dass der Bund endlich seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung nachkäme, sich um eine flächendeckende Fernverkehrsversorgung zu kümmern.Was ändert sich mit dem Rheinland-Pfalz-Takt 2015 für die Bahnfahrer in der Region? Geyer: In Koblenz, Trier und Kaiserslautern entstehen neue, sogenannte Taktknoten, an denen der Umstieg zwischen den dort verkehrenden Linien verbessert wird. Zudem werden im sogenannten RE-Netz Südwest, künftig unter dem Markennamen Süwex - Der neue Südwest Express, speziell von Trier aus neue Verbindungen geschaffen, die auch mit dem Fernverkehr an wichtigen Umsteigebahnhöfen wie Koblenz und Mannheim bessere Verknüpfungen schaffen. Zum Beispiel?Geyer: Dies gilt für Trier insbesondere im Hinblick auf die deutlich bessere Erreichbarkeit des Intercity-Express-Knotens Mannheim: Zehn Mal am Tag ohne Umstieg nach Mannheim und wieder zurück und das in wenig mehr als 2,5 Stunden. Das ist eine deutliche Verbesserung.Gibt es auch neue Züge? Geyer: Auf den meisten neuen Linien werden auch neue Fahrzeuge eingesetzt, etwa beim Süwex fünfteilige Elektrotriebwagen vom Typ Flirt des Herstellers Stadler. Der Reisekomfort kann sich sehen lassen: bequemere Sitze, Tische zum Arbeiten mit Steckdosen, moderne Fahrgastinformationssysteme, Klimatisierung, ausreichend Plätze für Kinderwagen, Rollstühle und Fahrräder, reichlich Stauraum für Gepäck. Verbessert sich denn der Service in den neuen Zügen? Geyer: Alle Züge werden von Zugbegleitern betreut, in ausgewählten Zügen wird Essen angeboten und - erstmals bei uns im Nahverkehr - auf der Strecke zwischen Koblenz und Trier als Pilotversuch ein Reservierungsangebot für Stammkunden mit Zeitkarte.Fahren denn auch alle Züge oder gibt es wieder Probleme mit den neuen Fahrzeugen wie jüngst etwa auf der Eifelstrecke?Geyer: Es wird in den ersten drei Monaten zu einigen wenigen Einschränkungen kommen. So werden leider noch nicht alle neue Triebwagen einsatzbereit sein. Daher werden die Regionalexpress-Linie zwischen Koblenz und Frankfurt sowie die Linien im Südteil des Landes in den ersten Wochen mit Ersatzfahrzeugen gefahren. Die Region Trier ist davon also nicht betroffen. Also keine Einschränkung für die Bahnfahrer in der Region? Geyer: Eine Einschränkung besteht bei dem sogenannten Flügelkonzept für Trier. Hier sollen ja die von Koblenz kommenden Züge in Trier geteilt werden, um dann getrennt in Richtung Saarbrücken und nach Luxemburg zu fahren. Dazu müssen die Züge der Deutschen Bahn, die Flirt, mit denen der Luxemburgischen Bahn, die Kiss, gekuppelt werden. Die dazu erforderliche spezielle Zulassung vom Eisenbahnbundesamt für die sogenannte Mischtraktion ist erst am Donnerstag eingetroffen, also zehn Tage vor dem Fahrplanwechsel, und ist noch mit der einen oder anderen Auflage versehen, die erst abgearbeitet werden muss. Erschwerend hinzu kam die Sperrung der Luxemburger Strecke für den Abschluss des zweigleisigen Ausbaus zwischen Igel und Wasserbillig, die einen ausreichenden Probetrieb des neuen Konzeptes verhinderte. Daher haben die Verantwortlichen vereinbart, den Start des Flügelkonzeptes um drei Monate zu verschieben, um dann einen stabilen Start zu ermöglichen. Was bedeutet das für Reisende? Geyer: Bis dahin müssen die Reisenden von und nach Luxemburg, die über Trier hinaus fahren, oft weiter umsteigen. Wie viele nutzen derzeit die Nahverkehrszüge in der Region? Geyer: In unserem Zuständigkeitsgebiet (Anmerkung der Redaktion: das umfasst die komplette Region Trier und die Region Koblenz) fahren täglich nahezu 100 000 Kunden mit den Zügen des Nahverkehrs. Dabei war die Entwicklung in den letzten 20 Jahren kontinuierlich wachsend. Natürlich erwarten wir, mit dem Rheinland-Pfalz-Takt 2015 neue Kunden gewinnen zu können. Wie lange hat es gedauert, das neue Konzept auf die Schiene zu setzen? Geyer: Die ersten Planungen liegen fast zehn Jahre zurück. Die politischen Entscheidungen über das Konzept wurden dann im Sommer 2008 getroffen. Danach folgte die konkrete Umsetzung im Rahmen mehrerer großer Vergabeverfahren. Danach, 2011 bis 2012, begannen dann die Verkehrsunternehmen wie etwa die Bahn mit ihren Vorbereitungen. Es war also ein langer Weg bis zum jetzt bevorstehenden Fahrplanwechsel am 3. Advent.Es gibt auch kritische Stimmen, die sagen, einige Verbindungen würden schlechter, etwa am Wochenende auf der Moselstrecke. Geyer: Zunächst ist natürlich nicht auszuschließen, dass es bei derart umfassenden Veränderungen in Ausnahmen auch mal zu Verschlechterungen kommen kann. Es überwiegen aber eindeutig die Verbesserungen.Also, alles bestens? Geyer: In einzelnen Fällen haben wir schon gemerkt, dass bei der Planung echte Fehler gemacht wurden. Hier versuchen wir natürlich, so schnell wie möglich zu reagieren. Ein Beispiel dafür: Beim Fahrplan für die Moselstrecke hatte sich ein Fehler bei den Verkehrstagen eingeschlichen. So wäre es dazu gekommen, dass am Wochenende erst kurz vor neun Uhr der erste Zug von Trier kommend in Koblenz eingetroffen wäre. Das wird jetzt möglichst schnell korrigiert.Heiß diskutiert wurde und wird ja die Reaktivierung der Weststrecke in Trier. Was wird dadurch besser? Geyer: Heiß diskutiert wird hier zur Zeit ja eigentlich nicht mehr. Die politischen Entscheidungen sind getroffen. Die zur Realisierung notwendigen Planungen und Vorbereitungen laufen mit Hochdruck. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2018 fahren die Züge. Für Berufspendler nach Luxemburg beginnt mit der Reaktivierung der Weststrecke eine neue Ära: Durch den neuen Halt Rote Brücke in Luxemburg werden erstmals auch Arbeitsplätze auf dem Kirchberg ohne Umstieg mit der Bahn erreicht.Im nächsten Jahr soll es in Schweich und Saarburg Video-Reisezentren geben. Was versprechen Sie sich davon? Geyer: Mit den Video-Reisezentren gehen wir im Vertrieb von Fahrscheinen erstmals in der Region einen neuen Weg. Dabei handelt es sich um eine Verbindung des klassischen Fahrscheinautomaten mit den Vorteilen einer persönlichen Beratung durch einen Mitarbeiter der Deutschen Bahn. Über eine Ton-Bild-Verbindung tritt der Kunde in Kontakt mit dem Vertriebsmitarbeiter, der ihn wie an einem herkömmlichen Fahrkartenschalter berät. Der Automat wird von diesem Mitarbeiter dann ferngesteuert, wenn es zu einem Fahrscheinverkauf kommt. Der anschließende Zahlvorgang läuft bar oder mit Karte über den Automaten. wie Extra

Thomas Geyer, 60, war vor seinem Wechsel als Verbandsdirektor des Zweckverbands Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) Nord in Koblenz acht Jahre lang Leitender Planer der Regionalen Planungsgemeinschaft in Trier. wie

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