Nur ein blaues Auge

TRIER. Aufatmen in der Simeonstraße: Das Trierer Karstadt-Kaufhaus kommt beim radikalen Sanierungsprogramm der KarstadtQuelle Warenhaus AG noch einmal davon. Die Trierer Filialen der zum Konzern gehörenden Häuser SinnLeffers und Runners Point müssen dagegen um ihre Zukunft bangen.

In aller Ruhe genießen kann Tomas du Buy die toskanische Spätsommersonne wohl nicht. Denn während der Geschäftsführer der Trierer Karstadt-Filiale im Land der Zitronenblüte seinen Urlaub verbringt, löst eine Negativ-Nachricht über anstehende Umstrukturierungen im Konzern die nächste ab. Als eine "überaus schmerzhafteListe der Grausamkeiten" kündigte Konzernchef Christoph Achenbach - erst seit 120 Tagen im Amt - gestern Mittag das härteste Sanierungsprogramm in der Konzerngeschichte an: Bundesweit will der KarstadtQuelle-Konzern 92 der 181 Karstadt-Filialen verkaufen oder schließen. Betriebsbedingte Kündigungen seien dabei unvermeidbar. Nach Berechnungen der Gewerkschaft Verdi sind 10 000 Stellen von den Streichungen betroffen, 20 000 weiter Mitarbeiter müssten mit Veränderungen durch die Umstrukturierung rechnen.Betriebsräte und Gewerkschaften sauer

Die Konzernleitung informierte gestern gegen 14 Uhr leitende Mitarbeiter per Telefonkonferenz über genauere Konsequenzen des Sanierungsprogramms für die einzelnen Standorte. "Unser Haus bleibt nicht nur erhalten, wir sind auch im Ganzen nur sehr gering betroffen", berichtete der Trierer Personalchef Hubert Darda am späteren Nachmittag auf TV -Anfrage. "Entlassungen im Verkauf sind bis Ende 2005 nicht geplant - dank unserer langjährigen Personalpolitik, die Verkäuferschar dem sinkenden Absatz ständig sanft anzupassen." Anders sieht es aus in der Verwaltung. Dort wird es laut Sanierungsplan auch in Trier Einsparungen geben. "Aber ob davon fünf oder sechs oder sieben Mitarbeiter betroffen sein werden, kann ich nicht voraussagen", sagt Darda. Dass Trier noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen ist, kann Karl-Heinz Helmle nicht besänftigen: "Die Konzernleitung hat in den vergangenen Jahren entscheidende Fehler gemacht und der Aufsichtsrat ist seiner Kontrollfunktion nicht nachgekommen", schimpft der Betriebsratsvorsitzende von Karstadt Trier. "Diesmal können es nicht alleine die Angestellten ausbaden, der angekündigte Solidarpakt von Investoren, Management und Banken muss Realität werden." Heute morgen um 9 Uhr informiert Personalleiter Hubert Darda seine Mitarbeiter offiziell über die Trierer Perspektiven. Dass Karstadt-Angestellte vorher gegenüber der Presse ihre Sicht der Dinge auf das Vorgehen der von Gewerkschaften und Betriebsräten scharf kritisierten Konzernleitung äußern, hat Darda strikt untersagt. Ebenfalls einen Maulkorb angelegt bekommen haben die Mitarbeiter des Trierer Sportschuhgeschäftes Runners Point. "Die Anweisung, nicht mit Journalisten zu sprechen, kommt von ganz oben", sagt die zittrige Geschäftsführerin. "Als ob wir nicht schon fertig genug wären." Sie und ihre beiden Mitarbeiterinnen wirken gedrückt. Das Fachgeschäft gehört zu den Ketten - darunter auch Wehmeyer, SinnLeffers und das Spezialgeschäft Golf House -, die der Karstadt-Konzern abstoßen will. Ein Käufer für die defizitären Häuser ist offensichtlich allerdings noch nicht gefunden. Bei SinnLeffers scheint die Stimmung trotz dieser trüben Aussichten anders zu sein. In der Abteilung für junge Herrenmode scherzen zwei Verkäuferinnen und ein junger Verkäufer miteinander. "Dann geh' ich halt zu H & M", lacht die eine. Ein wenig zu laut, um den Schein der guten Stimmung aufrecht erhalten zu können.

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