Nur nicht unter die Räder kommen

BITBURG. Während die Deutschen immer weniger Bier trinken, wird die Bitburger Brau-Gruppe immer größer. Nun zieht sie erstmals die Notbremse, streicht überflüssig gewordene Posten und kündigt einen Konzern-Umbau an. Das Ziel: im kleiner werdenden Markt nicht unter die Räder zu kommen.

Was 1817 beschaulich "vor dem Schakentore" in Bitburg begonnnen hat, hat nur noch eines mit der heutigen Bitburger Getränkeverwaltungs-Gesellschaft gemeinsam: Es ging und geht um Bier, mit heute knapp 4,1 Millionen Litern vor allem um Bitburger Pils. Gebündelte Strukturen von Anfang an

Während Johann Peter Wallenborn und Ludwig Bertrand Simon mit obergärigem Bier, Sudkessel und Bierkeller vor 189 Jahren Pflöcke für die Zukunft einrammten, unterbrechen die beiden Holding-Geschäftsführer Matthäus Niewodniczanski und Axel Simon zusammen mit dem Gesellschafter-Ausschuss nun nach mehreren Einkaufsrunden die Fahrt im Brauereikarussell. Denn schon längst ist aus der einst beschaulichen Familienbrauerei ein großer Brau-Konzern geworden, der in Deutschland zur Nummer vier am Markt aufgestiegen ist - mit allen Vor- und Nachteilen. Schon seit 1980 ist die Bitburger Brauerei mit 51 Prozent an der Gerolsteiner Brunnen GmbH beteiligt, dem deutschen Marktführer bei Mineralwassergetränken. Damit sammeln die Brauer erstmals Erfahrungen im alkoholfreien Getränkemarkt, der stärker und früher von der Verdrängung von Premium-Marken durch Billig-Getränke betroffen ist als der Gerstensaft. Neuland betritt die Bitburger auch 1991, als mit der Übernahme die ostdeutsche Schwarzbier-Brauerei Köstritzer die zweite Tochter wird. Strukturen werden gebündelt, Strategien vorgegeben: Seit 1999 übernimmt die Bitburger Holding GmbH die Koordination und Kontrolle der Gruppe. Immerhin übersteigt der Ausstoß aller Getränke-Unternehmen bei weitem die Zehn-Millionen-Hektoliter-Grenze. Von kurzer Dauer ist dagegen die Bier-Hochzeit mit den beiden polnischen Brauereien Bosman Browar Szcecin und Kasztelan Browar Sierpc. Sie werden im Sommer 2001 an die dänische Carlsberg-Brauerei verkauft. Monopolistische Vertriebsstrukturen machen es den Eifelern unmöglich, ihr Bitburger Pils in Polen zu verkaufen. Derweil sinkt der Bierkonsum pro Kopf drastisch: innerhalb von zehn Jahren um rund 20 Liter. Doch die Bitburger Brauerei gibt nicht auf, vergrößert sich wieder: 2002 gelingt es, sich mit der mehrheitlichen Übernahme der Brauerei Wernesgrüner aus dem Vogtland eine der letzten ostdeutschen Traditionsmarken einzuverleiben. Bei all diesen Übernahmen und Verkäufen gibt es jedoch keine Aussagen über Preise. Das ändert sich mit dem Zeitpunkt, da die Bitburger Holding 2004 mit der Duisburger "König-Pilsener"-Brauerei und der "Licher" Brauerei aus Hessen Töchter des börsennotierten Holsten-Konzerns übernehmen will. 469 Millionen Euro - das nahezu Neunfache des Gewinns beider Häuser - legten die Bitburger für die beiden Brauereien auf den Tisch. Mit einem Mal wächst die Mitarbeiterzahl um 650 auf nun über 2000. Schon zu diesem Zeitpunkt spricht der damalige Bitburger-Holding-Geschäftsführer Michael Dietzsch davon, dass die größten Chancen der Mammut-Aktion "in der verbesserten Marktbearbeitung durch die wechselseitige Nutzung der Vertriebs- und Logistiknetze, der Schaffung einer Plattform für den Ausbau von Spezialitäten sowie einem größeren Volumen beim Einkauf" bestünden. Nun scheinen die 37 Gesellschafter des in der siebten Generation in Familienbesitz befindendlichen Brauerei das umsetzen zu wollen und 200 Stellen abzubauen. Angesichts der Zahlen von 2005 scheint absehbar, welche der Brauerei-Töchter es beim Konzern-Umbau am härtesten treffen wird: König Pilsener (minus 4,4 Prozent) und Licher (minus 5,5 Prozent). Bei einem Gruppenabsatz von rund 15 Millionen Hektoliter (minus 3,3 Prozent, inklusive Mineralwasser), verzeichnete die Bitburger Brauerei ein Minus von 1,8 Prozent, Wernesgrüner minus 1,3 Prozent. Und auch in diesem Jahr scheinen die Aussichten trotz der bevorstehenden WM nicht rosig: Von Absatzrückgängen in den ersten drei Monaten von bis zu sechs Prozent ist teilweise schon die Rede.

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