"Ohne Ausländer herrscht Hungersnot"

Luxemburg · Der luxemburgische Wirtschaftsminister Jeannot Krecké warnt in einem Interview mit einem luxemburgischen Magazin vor der Abhängigkeit seines Landes von der Eurozone und der angeblich einseitigen Ausrichtung auf die Finanzbranche. Der 61-Jährige hat vergangene Woche angekündigt, im neuen Jahr zurückzutreten.

 Der luxemburgische Wirtschaftsminister Jeannot Krecké, hier beim Besuch der TV-Redaktion im Jahr 2007. TV-Foto: Archiv Klaus Kimmling

Der luxemburgische Wirtschaftsminister Jeannot Krecké, hier beim Besuch der TV-Redaktion im Jahr 2007. TV-Foto: Archiv Klaus Kimmling

Luxemburg. Er hat sich noch nie in ein politisches Schema pressen lassen. Er segelte immer schon gern gegen den Wind. Und das nicht nur auf seinem Segelboot. Auch in der Politik: Jeannot Krecké, seit 2004 Wirtschaftsminister in Luxemburg. Vergangene Woche hat der 61-jährige gebürtige Luxemburger angekündigt, im nächsten Jahr zurückzutreten (der TV berichtete). Eigentlich wollte er dies, so wird in Luxemburg gesagt, erst in der Neujahrsansprache im Ministerium seinen Mitarbeitern mitteilen. Durch eine Indiskretion, vermutlich aus dem Kabinett heraus, wurden Kreckés Pläne schon früher bekannt.
Sozialist gilt als neoliberal


Schon länger gilt er als amtsmüde. Andererseits hat er noch nie ein Hehl daraus gemacht, dass er keine volle Amtszeit Minister bleiben wird. Bereits 2007 verkündete Krecké bei einem Besuch der TV-Redaktion: "Ich habe kein Problem, mit 60 aufzuhören. Vor Sardinien wartet dann mein Segelboot auf mich."
Der ehemalige Profi-Fußballer und Sozialist legte sich mit seiner eher neoliberalen Politik nicht nur mit der eigenen Partei an. Auch innerhalb der schwarz-roten Regierung gilt der wortgewandte Politiker eher als Querdenker denn jemand, der sich einfach so unterordnet.
Daher überrascht es auch nicht, dass Krecké in einem Interview mit dem in Luxemburg erscheinenden englischsprachigen Magazin Delano erneut deutliche Worte bezüglich der aus seiner Sicht zu einseitigen Abhängigkeit Luxemburgs von der Eurozone und der Finanzbranche findet. Die im Großherzogtum ansässigen Unternehmen müssen sich breiter aufstellen, dürfen sich nicht zu sehr auf Kunden innerhalb Europas konzentrieren, sagt Krecké in dem Interview, das einen Tag nach dem Bekanntwerden seines Rücktritts veröffentlicht worden ist.
"Wenn es der Euro-Zone, unserm größten Kunden, nicht gutgeht, brauchen wir Alternativen", so Krecké. Derzeit gingen 85 Prozent der Ausfuhren aus Luxemburg nach Europa, der Rest zum Großteil in die USA. Er plädiert dafür, dass sich sein Land stärker auf die sogenannten Brics-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) konzentriert. Dort sei das Wachstum teilweise größer als in einigen bedeutenden EU-Ländern. "Der Verbrauch in Indien, China, Russland oder Brasilien wächst durch die Entstehung einer Mittelschicht mit mehr Kaufkraft", sagt Krecké. Durch die zahlreichen portugiesischen Einwanderer habe Luxemburg gute Voraussetzungen, um in Brasilien, wo Portugiesisch gesprochen wird, Fuß zu fassen. In dem Interview wiederholt der Minister auch seine bereits früher geäußerte Kritik an der einseitigen Ausrichtung auf die Finanzbranche in seinem Land. Luxemburg sei der breiten Öffentlichkeit und den führenden Geschäftsleuten außerhalb Europas nur als Finanzplatz bekannt. Das Land sei in erster Linie ein Platz für Menschen, die viel Geld haben, aber nicht für die, die Geld bräuchten.
Keine Konkurrenz zu Riesen


Oft würden ihm Unternehmen auf der Suche nach Investoren interessante Projekte präsentieren, in der Hoffnung, dass der Finanzplatz diese finanziert. Dann müsse er immer sagen: Sorry, das könne man nicht.
Krecké warnt seine Landsleute davor, weiterhin Vorbehalte gegenüber ausländischen Investoren zu haben, in sogenannte luxemburgische Unternehmen investieren möchten. "Ohne ausländische Unternehmer und ausländische Investoren würde in Luxemburg noch Hungersnot herrschen" wie im 19. Jahrhundert. So sei die einst so erfolgreiche Stahlindustrie mit belgischem und deutschem Kapital aufgebaut worden, erinnert Krecké.
Neben der Finanzbranche gebe es noch jede Menge andere Wirtschaftsbereiche, in denen Luxemburg ein "Weltklasse-Know-how" habe: "Grüne Technologie, Logistik, Infrastruktur, Ingenieur- und Planungsbüros sind alles Branchen, in denen wir über besondere Fähigkeiten verfügen, die außerhalb Europas stark nachgefragt sind."
Allerdings konkurriere Luxemburg dabei nicht mit den wirtschaftlichen Riesen, wie etwa Deutschland. "Wir arbeiten mit ihnen zusammen oder positionieren uns in unseren eigenen kleinen Nischen."
Zu seinen Plänen nach dem Ministeramt hat er bislang nichts gesagt. Zunächst war in Luxemburg spekuliert worden, der 61-Jährige werde in den Verwaltungsrat der luxemburgischen Frachtfluggesellschaft Cargolux wechseln. Auch ein Posten beim russischen Gasversorger Gazprom war im Gespräch.
Über die Gründe für den Rücktritt wird ebenso spekuliert. Etwa die zunehmende Kritik an den engen Beziehungen von ihm zum umstrittenen Luxemburger Baulöwen und Gründer des Luxemburger Radsportteams Leopard Trek Flavio Becca, etwa beim geplanten Bau eines neuen Nationalstadions in Luxemburg. Becca ist der private Investor des umstrittenen Projektes. Krecké soll zusammen mit Premierminister Jean-Claude Juncker und Innenminister Jean-Marie Halsdorf bereits 2009 dem Investor Zusagen gemacht haben, das Projekt zu unterstützen. Gegen Becca, der auch zu den Investoren eines Golfparks in Tawern (Kreis Trier-Saarburg) gehörte, wird wegen Unterschlagung ermittelt.

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