Paket ohne Perspektive

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hat den Notfallplan der Euro-Länder für Griechenland als unzureichend kritisiert. Es fehle an nachprüfbaren Verpflichtungen zur Haushaltskonsolidierung.

Berlin. (vet) Mit dem Experten für Wirtschaftsfragen sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter.

Herr Bofinger, über Wochen hat sich Deutschland gegen Hilfen für Athen gesträubt. Wie erklären Sie sich den Meinungswandel?

Peter Bofinger: Die Position, keine Hilfe für Griechenland, war von vorn herein engstirnig. Zwischenzeitlich haben sich die Probleme verschärft, so dass man nachlegen musste.

Wie sinnvoll ist das Hilfspaket?

Bofinger: Die Maßnahmen sind im Prinzip richtig, aber es fehlt an einer umfassenderen Perspektive. Anstatt einen Mechanismus zu entwickeln, der auf alle problematischen Länder anwendbar wäre, wiederholt man die Fehler aus der Bankenkrise. Da wurde auch erst der einen oder anderen Bank geholfen, bevor man merkte, dass es einen Gesamtansatz braucht.

Was verstehen Sie darunter?

Bofinger: Vor Ostern hat man sich auf die Formel verständigt, wir unterstützen Griechenland nur dann, wenn es aus der Kurve geflogen ist. Athen braucht aber Leitplanken, um in der Kurve zu bleiben. Neben dem Notfallplan wären nachprüfbare Verpflichtungen zur Haushaltskonsolidierung notwendig gewesen: ein exakter Ausgabenpfad, Gesetze für mehr Steuerehrlichkeit und weitergehende Steuererhöhungen.

Befürchten Sie, dass Griechenland deshalb seine Sparbemühungen schleifen lässt?

Bofinger: So weit würde ich nicht gehen. Aber eine Kombination aus Fördern und Fordern wäre sinnvoller gewesen. Unter dem Druck der Finanzmärkte kam eine schlechte Lösung zustande, nämlich zu helfen ohne detaillierte Konditionen, aus denen sich im Zweifelsfall auch ein Stopp der Finanzhilfen ergeben kann, wenn Griechenland vom Konsolidierungspfad abweicht.

Der Stabilitätspakt verbietet, dass sich die Euro-Länder untereinander aus der Patsche helfen. Handelt Europa in diesem Fall wider eigenes Recht?

Bofinger: Nein, das sehe ich nicht so. Festgelegt ist, dass ein Land nicht für die Verbindlichkeiten des jeweils anderen haftet. Aus meiner Sicht heißt das, es gibt keine automatische Haftung. Dass Länder von sich aus eine Haftung übernehmen können, bleibt davon unberührt.

Wann werden die Hilfen zum Zuge kommen?

Bofinger: Dann, wenn Griechenland nur noch zu untragbar hohen Zinsen Kredite bekommt. Man muss sich das wie bei einem privaten Haushalt vorstellen, der wegen seiner massiven Verschuldung keinen regulären Kredit mehr bekommt und deshalb Wucherzinsen zahlen muss. Auf diese Weise gerät er immer stärker in die Schuldenspirale.

Die Kredite der Euro-Staaten sollen bis zu 30 Milliarden Euro umfassen. Reicht das aus, um Griechenland zu stabilisieren?

Bofinger: Das ist ungefähr die Summe, die Griechenland in den kommenden sechs Monaten benötigt. Damit wäre fürs Erste viel gewonnen.

Auf Deutschland käme ein Anteil von bis zu acht Milliarden Euro zu. Halten Sie das politisch für vermittelbar?

Bofinger: Das Schlimmste für Deutschland wäre ein Aufbrechen der Währungsunion und die Rückkehr zu nationalen Währungen. Dann hätten wir ein Riesenproblem mit der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie.

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