Pillen-Engpass in Kliniken: Globalisierung schuld an Lieferproblemen

Trier · Immer häufiger klagen Krankenhäuser, dass bestimmte Medikamente vor allem für Krebspatienten nicht lieferbar sind. Auch Kliniken in der Region sind betroffen. Schuld daran ist die Globalisierung.

Trier. Wer als Patient im Krankenhaus landet, erwartet, dass alles getan wird, um ihn zu heilen. Vor allem, dass er Medikamente bekommt, die ihm helfen. Und dass diese Medikamente auch tatsächlich vorrätig sind im Krankenhaus.
Doch genau das können einige Kliniken in der Region nicht mehr garantieren.
Etwa das Mutterhaus in Trier. In den vergangenen sieben Monaten seien 84 benötigte Arzneimittel nicht, in reduziertem Umfang oder mit erheblicher Verspätung geliefert worden, sagt Sabine Steinbach, Leitende Apothekerin des Mutterhauses. Betroffen von den Lieferengpässen seien im Grunde genommen alle Arzneimittel. Vor allem aber Krebsmedikamente.
Das Mutterhaus ist kein Einzelfall. Immer öfter klagen Krankenhausapotheken über Lieferengpässe bei wichtigen Arzneimitteln wie etwa bei Antibiotika oder bei Krebsmedikamenten. Auch öffentliche Apotheken bekommen diese Engpässe zu spüren, wie eine Sprecherin des Landes-Apothekerverbandes sagt. Patienten könnten daher oft nicht das verschriebene Medikament erhalten, sondern nur ein Ersatzpräparat mit gleichem Wirkstoff. Kliniken sind jedoch häufiger von dem Problem betroffen. 400 bis 600 verschiedene Medikamente benötigt ein Krankenhaus zur Behandlung unterschiedlicher Krankheiten. Laut einer Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft unter Klinikapotheken stehen 25 dieser Medikamente nicht oder in zu geringer Menge zur Verfügung. Die Folge: "Ersatzpräparate müssen gefunden werden", sagt Mutterhaus-Apothekerin Steinbach. Ärzte müssen Patienten also andere, oftmals auch schlechtere Arzneistoffe geben.
Bisher noch kein Totalausfall

Die Lage sei ernst, aber nicht dramatisch, meint Stephan Mundanjohl. Er ist Leitender Apotheker der Marienhaus GmbH, zu der in der Region unter anderem die Krankenhäuser in Bitburg, Gerolstein und Hermeskeil sowie das ökumenische Verbundkrankenhaus Trier/Trier-Ehrang gehören. Der Aufwand für die Krankenhaus-Apotheker sei größer geworden, erklärt Mundanjohl. Weil die Marienhaus GmbH die Arzneimittel zentral für alle ihre Kliniken und damit gleich in großen Mengen einkauft, sei es manchmal einfacher, Vorräte anzulegen. Damit könnten Engpässe leichter überbrückt werden, gleichzeitig koste die Vorratshaltung aber auch mehr Geld.
Auch das Verbundkrankenhaus Bernkastel/Wittlich konnte die Engpässe bislang ausgleichen, indem es die fehlenden Präparate durch andere ersetzte. Einen Totalausfall von Medikamenten habe es bislang noch nicht gegeben, sagte eine Sprecherin der Cusanus Trägergesellschaft Trier, zu der das Krankenhaus gehört. Auch aus dem Trierer Brüderkrankenhaus gibt es Entwarnung. Die meisten Präparate würden von mehreren Herstellern angeboten, sagt Kliniksprecherin Anne Britten. "Wenn es bei einem Hersteller Engpässe gibt, kann das betreffende Medikament meist bei einem anderen Hersteller bezogen werden oder auch von einer benachbarten Klinik."
Grund für die Schwierigkeiten

Wie kommt es nun zu diesen Engpässen? Die Globalisierung sei schuld, erklärt Stephan Mundanjohl. Die Pharmakonzerne hätten ihre Produktionen zunehmend in Billiglohnländer verlagert. Um weitere Kosten zu sparen, werden die Medikamente dort oft nicht mehr auf Vorrat produziert, die teure Lagerhaltung entfällt. Gleichzeitig steige weltweit die Nachfrage nach Arzneimitteln, etwa in Asien, erklärt Mundanjohl. Produktionsausfälle durch technische Probleme oder durch Ausfall von Zulieferern führen dazu, dass die gesamte Herstellung ruht. Und das wiederum hat Auswirkungen bis nach Trier oder nach Bitburg. Dann kann das Krebsmittel, das in dieser Fabrik hergestellt wird, nicht geliefert werden.
Und das erfahren die Krankenhausapotheker zumeist erst dann, wenn die bestellten Arzneimittel nicht kommen. Eine Vorwarnung gibt es nicht.
Daher fordert die Deutsche Krankenhausgesellschaft, dass die Arzneimittelhersteller verpflichtet werden, Lieferengpässe frühzeitig etwa an das Bundesinstitut für Arzneimittel oder Medizinprodukte zu melden.
Um solch kurzfristigen Lieferausfälle zu umgehen, hat die Marienhaus GmbH für alle wichtigen Wirkstoffe Lieferverträge mit Herstellern und Händlern getroffen. Der Apotheker werde in solchen Fällen zum Logistiker, der versuchen muss, so schnell wie möglich an die benötigten Arzneimittel zu kommen, erklärt Mundanjohl.
Problem Ersatzmedikament

Oberste Priorität habe die Versorgung der Patienten mit den für sie notwendigen Medikamenten. Und in den meisten Fällen gelinge das auch, ohne dass die Patienten es merkten. Bei den Ersatzpräparaten bestehe allerdings das Risiko, dass sie verwechselt werden könnten, weil etwa Verpackungen plötzlich anders aussehen würden, sagt Mutterhaus-Apothekerin Steinbach. Das könnte eine Gefahr für die Patienten sein. Daher müssten Ärzte und Pfleger ständig über die Ersatzlieferungen informiert werden. "Wir sehen die Entwicklung mit Sorge und fürchten, dass es tatsächlich dazu kommen kann, dass für einen Patienten nicht das geeignete Arzneimittel zur Verfügung steht" sagt Steinbach.

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