VTU-Neujahrsempfang „Wir müssen alle mehr tun“ - Warum die regionale Wirtschaft vor einem schwierigen Jahr steht und wie sie es meistern kann

Trier · An den 57. Neujahrsempfang der VTU werden sich die 600 Gäste noch lange erinnern: Fulminante Reden und die Ankündigung, dass man sich am Anfang einer epochalen Wende befindet. Das bleibt lange in Erinnerung.

 Aufmerksame Zuhörer: 600 Gäste waren von den Beiträgen beim VTU-Empfang angetan.

Aufmerksame Zuhörer: 600 Gäste waren von den Beiträgen beim VTU-Empfang angetan.

Foto: TV/Willy Speicher

Seit einigen Jahren hat die Vereinigung Trierer Unternehmer (VTU) sich das Theater Trier als Veranstaltungsort für den traditionellen Neujahrsempfang gewählt. In diesem Jahr gab es ein ausverkauftes Haus, wie es sich die Kulturschaffenden vor Ort wohl immer wünschen würden. Rund 600 Gäste aus Politik, von Verbänden und aus der Wirtschaft wurden bestens unterhalten, denn Frank Natus, Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Festredner Friedrich Merz stimmten die Anwesenden auf das neue Jahr und das beginnende Jahrzehnt ein.

Festredner Friedrich Merz glaubt die Welt mitten in einer epochalen Wende (siehe auch Artikel Seite 2), und VTU-Chef Frank Natus sieht in diesen Zeiten die Politik gefordert, um den deutschen Mittelstand als Rückgrat der regionalen Wirtschaft bei den Herausforderungen zu stützen.

„2019 war für die Wirtschaft ein herausforderndes Jahr“, sagt der  Trierer Unternehmer und angesichts der vielen Unsicherheiten durch Brexit, die Nahostkrise oder den Handelshemmnisse „fahren die Unternehmen derzeit auf Sicht“. Investitionen würden zurückgestellt oder ausgesetzt, bis sich die negative Weltlage verbessere und kläre. Eine Konstante sei in der deutschen Wirtschaft der Mittelstand, die vielen familiengeführten Unternehmen, wie auch die Bankenkrise 2008 gezeigt habe. Kein anderes Land hätte diese Krise so unbeschadet überstanden, die Welt beneide Deutschland um seine einzigartige Struktur. „90 Prozent der deutschen Unternehmen sind Familienunternehmen. Sie bilden 80 Prozent der Azubis aus. Die knapp drei Millionen Familienunternehmen beschäftigen 17 Millionen Mitarbeiter und zahlen 47 Milliarden Euro Ertragssteuer.“ Wenn VTU-Chef Natus das hohe Lied der Familienunternehmen anstimmt, dann hat das etwas mit Lobbyismus zu tun, viel mehr aber noch mit seinem unternehmerischen Selbstverständnis.

Und das heißt auch, dass er anprangert, was aus seiner Sicht ein erfolgreiches Wirtschaften ausbremst. Der Fachkräftemangel sei für die Unternehmen ein großes Hemmnis, die Digitalsierung gehe zu schleppend voran. „Wir müssen schneller werden, wir müssen besser werden. Das gilt für die Politik und für die Wirtschaft“, fordert der VTU-Chef und nennt Beispiele: „Der Hochmoselübergang allein reicht nicht aus, der Lückenschluss A 1, der Moselaufstieg, die Nordumfahrung Trier und ein ICE-Anschluss der Trier ans Bahnfernverkehrsnetz anbindet, sind notwendig.“ Dass es 49 Jahre gedauert habe, bis die Hochmoselbrücke endlich fertiggestellt sei, zeige wo es in Deutschland nicht stimme. „In Peking, in Dubai, in Istanbul sind in kurzer Zeit die größten Flughäfen der Welt fertiggestellt worden ...“ Während daraufhin Gelächter unter den Gästen ausbricht, schließt Natus, „manchen Satz muss man gar nicht mehr beenden.“ Während medial die Themen Umweltschutz und Soziales derzeit im Fokus ständen, fragte sich Natus: „Woher kommen die Milliarden dafür? Die sozialste Tat in einer Gesellschaft ist immer noch eine funktionierende Wirtschaft.“

Diesen Dialog zwischen Wirtschaft und Politik schätzt Ministerpräsidentin Malu Dreyer ganz besonders. Seit vielen Jahren ist sie Stammgast bei der Veranstaltung. „Als Mittler zwischen Wirtschaft und Politik leistet die VTU einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der regionalen Wirtschaft und zur Sicherung von Wohlstand und Beschäftigung in der Region“, so die Ministerpräsidentin. Die mittelständische Struktur mit attraktiven Arbeitgebern sei ein Grund dafür, dass sich die Region wirtschaftlich gut entwickele. Dreyer freute sich aber auch über die positiven Entwicklungen am Industriestandort, etwa die Planungen von PSA für ein Batteriewerk in Kaiserslautern, bei dem 2000 neue Jobs entstehen könnten, und vor wenigen Tagen, die Tatsache, dass Daimler in sein LKW-Werk in Wörth im Südosten von Rheinland-Pfalz 70 Millionen Euro in ein Entwicklungszentrum investiert. Dass es in der Politik nicht immer so schnell gehe, wie sich mancher Unternehmer wünsche, verstehe sie. „Doch in der Politik geht es um Kompromisse. Und der Kompromiss ist nicht die Schwäche der Demokratie, sondern der Kompromiss ist die Krönung der Demokratie.“

Eine Einschätzung, die auch Festredner Friedrich Merz voll und ganz unterzeichnen kann. Doch der Rechtsanwalt und Vizepräsident des CDU-Wirtschaftsrates Deutschland (sein Thema: Deutsche Familienunternehmen und der europäische Binnenmarkt) sieht Deutschland unter Handlungsdruck. Deutschland habe in den vergangenen zehn Jahren, unter anderem wegen der laschen Geldpolitik der EZB, am meisten vom gemeinsamen Binnenmarkt profitiert. Doch damit man weiter in der „Champions League“ bleibe, müsse man Europa voranbringen und die Führungsrolle einnehmen. „In vielen Bereichen gehen wir unseren eigenen Weg, ohne die Partner mitzunehmen.“ Etwa in der Flüchtlingspolitik oder der Umweltpolitik. Gleichzeitig den Ausstieg aus der Atomkraft und den Kohlekraftwerken zu erklären und nur auf alternative Energien zu setzten, kommentiert er mit „kann man ja mal so machen ...“.

Für den schleppenden Ausbau bei der Digitalisierung hat Merz eine konkrete Forderung an die Politik: „Schaffen Sie für alle öffentlichen Gebäude, für Rathäuser, Verwaltungen, Schulen oder Gerichte, die Genehmigungsverfahren für Sendemasten ab.“ Man brauche für den 5-G-Ausbau 300 000 Sendemasten, doch dies sei nicht einfach. „In diesem Land weiß jeder, wogegen man sein kann, wir brauchen aber eine Kultur, ein Klima um etwas voranzubringen.“ Und hier fordert Merz die Politik und die Wirtschaft gleichsam: „Die Politik muss mehr tun, aber auch die Wirtschaft. Gehen sie in die Politik, fördern Sie ihre Mitarbeiter und fordern sie auf, in die Politik zu gehen.“ Um in 2030 wieder so erfolgreich dazustehen, müsse Deutschland seine Rolle in einem starken Europa annehmen. „Ich würde mich freuen, wenn ich dann wieder hier stehen könnte und mit Ihnen auf erfolgreiche zehn vergangenen Jahre blicken könnte.“

 Beim VTU-Neujahrsempfang: Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe, VTU-Geschäftsführerin Sabine Plate-Betz, VTU-Vorsitzender Frank Natus, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Festredner Friedrich Merz (von links).

Beim VTU-Neujahrsempfang: Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe, VTU-Geschäftsführerin Sabine Plate-Betz, VTU-Vorsitzender Frank Natus, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Festredner Friedrich Merz (von links).

Foto: TV/Willy Speicher
 Frank Natus spricht über die Herausforderungen an die regionale Wirtschaft.

Frank Natus spricht über die Herausforderungen an die regionale Wirtschaft.

Foto: TV/Willy Speicher

Lesen Sie dazu auch „Doppelaufschlag von Friedrich Merz in der Region“ auf Seite 2.

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