Reiche und Arme
Die deutschen Kommunen stecken in der schwersten Finanzkrise seit Bestehen der Republik. Und es kommt nach Darstellung des Deutschen Städtetages noch schlimmer. Wie sieht es in der Region aus? Der TV schaute einigen heimischen Kämmerern in die Kassen.
Trier: Bei der Stadt Trier hat man Mühe, im Schuldensumpf den Überblick zu behalten. Neben "regulären", ordentlich finanzierten, Verbindlichkeiten von knapp 200 Millionen Euro ist es vor allem ein Berg aufgelaufener Defizite, der die Stadtkasse drückt. An die 100 Millionen Euro beträgt das Finanzloch, dessen "Bedienung" mit Zinsen und Tilgung die städtischen Mittel auffrisst. Macht statistisch unterm Strich 3000 Euro Schulden für jeden der 100 000 Einwohner.Besserung ist nicht in Sicht, obwohl die Sparschraube kräftig angezogen wurde. Drei Millionen Euro Einsparungen bei den Ausgaben, dazu eine weitere Million Nachzahlungen bei der Grunderwerbssteuer: Zum Jahresende klang die Bilanz gar nicht so schlecht. Doch die ohnehin vorsichtig geschätzten Gewerbesteuer-Einnahmen blieben noch einmal hinter den Erwartungen zurück, die Haushaltsverbesserung war perdu. Wenn Oberbürgermeister Helmut Schröer mal so richtig neidisch werden will, braucht er nur einen Blick in die eine oder andere Umlandgemeinde zu werfen. Dem Kreis Trier-Saarburg geht es zwar auch längst nicht mehr gut, er musste an die Reserven gehen, um seinen Haushalt in Ordnung zu halten. Aber im "Speckgürtel" rund um die Stadt verfügt mancher Ortsbürgermeister noch über kräftige Reserven. So wie Karl-Heinrich Orth im Grenzort Langsur. Dort gibt es noch, was andernorts längst zur Legende geworden ist: eine "Freie Finanzspitze", also überschüssige Haushaltsmittel, die frei für Investitionen eingesetzt werden können. 100 000 Euro stehen im Haushalt 2003 zur Verfügung. Weitere 50 000 hat man genutzt, um den laufenden Haushalt auszugleichen; ungedeckte Löcher wie in der Stadt Trier gibt es nicht. Rechnet man die "ordentlichen" Schulden um, kommt man auf 276 Euro pro Bürger ein Zehntel der Belastung, die jeder Trierer mit sich herumschleppt.Dennoch bleibt man auf dem Teppich, legt bei den Investitionen sogar eine "schöpferische Pause" (Orth) ein. Schließlich wolle man auch weiterhin "solide wirtschaften".(DiL)E ifel: Die Finanzlage der beiden Kreisstädte in der Eifel, Bitburg und Daun, könnte unterschiedlicher kaum sein. Während Bitburg in diesem Jahr einen Überschuss von zwei Millionen Euro erwirtschaftet, auf neue Kredite verzichten und gleich noch eine Million für schlechte Zeiten auf die hohe Kante legen kann, verschieben die Dauner 2,3 Millionen Euro Defizit vom Verwaltungs- in den Vermögenshaushalt. Ohne weiteres sind die beiden Städte jedoch nicht vergleichbar. Bitburg gehört keiner Verbandsgemeinde (VG) an. Die Stadt Daun muss über eine Umlage die VG, die ihren Namen trägt, mit finanzieren. Dafür übernimmt die Verbandsgemeinde jedoch auch Verwaltungsaufgaben, die im Bitburger Rathaus eigene Mitarbeiter erledigen müssen. Den eklatantesten Unterschied offenbart jedoch ein Blick auf die Einahmen der beiden Städte: Daun rechnet in diesem Jahr mit Gewerbesteuern von knapp zwei Millionen Euro, Bitburg wird voraussichtlich 14,8 Millionen Euro kassieren. Die stammen zu knapp 75 Prozent von der Bitburger Brauerei. Damit könnte Bitburg allein mit seinen Gewerbesteuereinnahmen die gesamten laufenden Kosten der Stadt Daun, die sich im Verwaltungshaushalt auf 14 Millionen Euro summieren, bezahlen.Dennoch will die Stadt Daun in diesem Jahr mehr investieren als Bitburg. Im Vermögenshaushalt sind 8,5 Millionen Euro vorgesehen, und selbst, wenn man die 2,3 Millionen übetragenen Schulden herausrechnet, bleiben 6,2 Millionen übrig. Das sind 1,3 Millionen mehr als im Bitburger Vermögenshaushalt insgesamt vorgesehen sind. Von den knapp 5,3 Millionen sind nach Angaben von Bitburgs Bürgermeister Joachim Streit auch nur rund drei Millionen bauliche Investitionen im engeren Sinne. Diese Art der Sparsamkeit hat laut Streit Methode: "Wir haben den Vermögenshaushalt von früher zehn Millionen Euro herunter gefahren." Während der Investitionshaushalt schon länger im Blick der Sparkommissare in den Räten ist, hat man im Bitburg schon vor einigen Jahren auch den Verwaltungshaushalt ins politische Visier genommen. Im Jahr 1998 begann man mit der Umsetzung des neuen Steuerungsmodells, dabei wurde unter anderem eine so genannte Lenkungsgruppe gebildet, in der Vertreter des Rates mit Verwaltungsmitarbeitern zusammenarbeiten.Derweil bedient sich die Stadt Daun den Bestimmungen einer Landesverordnung, um den Haushalt 2003 zumindest optisch etwas aufzupeppen. Nach dem Rekorddefizit im Haushalt 2002 von knapp drei Millionen Euro hätte das Minus im Verwaltungsetat 2003 theoretisch bei 4,8 Millionen Euro gelegen. Und das, obwohl in den vergangenen Jahren die Hebesätze für die Grundsteuern A und B sowie die Gewerbesteuer erhöht wurden. Dank der Landesverordnung hat die Stadt jetzt durch Kassenkredite finanzierte Fehlbeträge in Höhe von 2,3 Millionen aus früheren Jahren vor 1999 dem Verwaltungshaushalt entzogen und dem Vermögensetat zugeschustert. Diese Ausnahmeregelung gilt für die Haushaltsjahre 2002 und 2003.Durch die Umgliederung bekommt die Stadt die Möglichkeit, diese langfristigen Schulden über einen längeren Zeitraum zu finanzieren und sich so derzeit niedrige Zinsen langfristig zu sichern. Ob das im Endeffekt ein großes Einsparpotenzial in sich birgt, ist allerdings offen. Wichtiger ist für Stadtbürgermeister Wolfgang Jenssen daher auch eine "Planungssicherheit, langfristig relativ günstige Zinsen zu bekommen" und die Option, schneller den Ausgleich im Verwaltungshaushalt zu schaffen.(lars/bl)M osel: Zum ersten Mal seit sieben Jahren verabschiedete der Kreistag Bernkastel-Wittlich im Dezember 2002 einen nicht ausgeglichenen Haushaltsplan. Bei Ausgaben von 87,7 Millionen Euro werden im Verwaltungshaushalt im laufenden Jahr voraussichtlich 1,87 Millionen Euro fehlen. Zu den finanziell am stärksten gebeutelten Verbandsgemeinden im Kreisgebiet zählt die VG Manderscheid. Ein Defizit von rund 300 000 Euro ist im Etat 2003 veranschlagt; zehn von 21 Gemeinden im Verbandsbereich weisen ebenfalls rote Zahlen auf. "Wegen des katastrophalen Einbruchs bei der Gewerbesteuer kommen voraussichtlich noch zwei Orte hinzu", befürchtet Bürgermeister Wolfgang Schmitz. Er glaubt nicht, dass sich die Einnahmeseite der kommunalen Haushalte in absehbarer Zeit verbessern wird. "Wo sollen die Menschen bei diesem dauernden Hin und Her Vertrauen in die Zukunft aufbauen", kritisiert Schmitz die Politik in Bund und Land.Um den totalen Kollaps der öffentlichen Haushalte zu vermeiden, müsse auch da gespart werden, "wo's weht tut". Angesichts der weiter rückläufigen Geburtenrate müssten auch Schulen und Kindergärten auf den Prüfstand. Auch müsse gebietsübergreifend nach Synergie-Effekten gesucht werden, etwa im Wasser- und Abwasserbereich oder im Tourismus. Angst hat Schmitz nur, dass "in diesem Globalisierungsprozess die Bürgernähe zu kurz kommt".Optimistisch blickt dagegen die Stadt Wittlich in die Zukunft. Bürgermeister Ralf Bußmer konnte einen ausgeglichenen Haushalt mit einem Verwaltungshaushalt von rund 25,4 Millionen Euro vorstellen und freute sich, dass noch Spielraum für Investitionen bliebe. Bußmer: "Es ist ein anerkannter, heute aber wenig beachteter volkswirtschaftlicher Grundsatz, das in wirtschaftlich schlechten Zeiten die öffentliche Hand durch Investitionen gegensteuern soll. Wenn dies beim Land und auch beim Bund mangels Masse heute nicht mehr möglich oder nicht gewollt ist, wollen wir mit unseren beschränkten Möglichkeiten versuchen, durch mehr Investitionen etwas für unsere heimische und regionale Wirtschaft zu tun."Die Investitionen von Wittlich sollen im Jahr 2003 rund fünf Millionen Euro betragen. 26 kleinere und größere Maßnahmen enthält der Vermögenshaushalt von der Schulturnhalle in Bombogen bis zur Sanierung des alten Rathauses. Allerdings rechnet der Wittlicher Haushaltsansatz mit einem relativ hohen Gewerbesteueraufkommen von zwölf Millionen Euro, ein Betrag, der um 50 Prozent über dem von 2002 liegt. Zu Kritikern dieses Zahlenwerks meinte Bußmer: "Der Haushaltsansatz von zwölf Millionen Euro ist eine realistische Prognose, die an der obersten Grenze angesiedelt ist."(mai/alf/sos)