Rendite bedeutet immer Risiko

Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht mit ihrer Geldpolitik die weltweite Krise in den Griff zu bekommen und die Wirtschaft und das Bankensystem zu stützen. Welche Auswirkungen aber haben die Veränderung von Leitzinsen und die Ausweitung der Geldmenge auf die normalen Verbraucher, auf die Kleinanleger und Sparer?

 Professor Jörg Henzler sieht derzeit keine Inflationsgefahr durch die EZB-Geldpolitik. Foto: privat

Professor Jörg Henzler sieht derzeit keine Inflationsgefahr durch die EZB-Geldpolitik. Foto: privat

Trier. (hw) Die EZB hat den Leitzins auf ein Prozent und damit auf den tiefsten Stand aller Zeiten gesenkt. Zudem hat die Zentralbank erklärt, dass sie direkt Pfandbriefe aufkauft. Jörg Henzler, Professor für Volkswirtschaftslehre und internationale Finanzmärkte an der Fachhochschule Trier, ordnet im Gespräch mit TV-Redakteur Heribert Waschbüsch die jüngsten EZB-Entscheidungen ein.

Durch die Senkung des Leitzinses ist Geld für Banken so billig wie nie zuvor. Müssen sich die Verbraucher nun auf steigende Preise einstellen?

Henzler: Nein, auf keinen Fall. Die Verbraucher müssen sich in diesem und dem kommenden Jahr wohl nicht auf eine Inflation einstellen. Der globale Wirtschaftsabschwung ist zu stark und wirkt eher deflationär.

Mittelfristig birgt natürlich die weltweit expansive Geldpolitik, die Gefahr einer Geldentwertung und damit einer Inflation. Doch zum jetzigen Zeitpunkt muss sich die EZB darum noch keine großen Sorgen machen.

Durch die EZB-Entscheidung können sich die Banken günstiger Geld besorgen. Bekomme ich als Verbraucher nun auch billiger Geld von meiner Sparkasse oder Bank?

Henzler: Ich fürchte, das wird nicht der Fall sein. Es gibt eine ganze Reihe von Banken, die durch die Finanzkrise gebeutelt sind, und die brauchen das günstige Geld, um wieder Fuß zu fassen. Der niedrige Leitzins hilft diesen Banken, weil sie davon profitieren und ihre Eigenkapitalquote stärken. Das ist aber auch absolut notwendig. Die EZB will mit ihrer Politik schließlich die Banken stützen. Bei Sparkassen und Volksbanken, die vielleicht weniger von der Krise betroffen sind, ist es so, dass sie aufgrund ihres Geschäftsmodells weniger auf die Unterstützung der EZB angewiesen sind.

Und auf der anderen Seite: Was wird aus meinem Spargroschen auf dem Sparbuch oder auf dem Festgeld- oder Tagesgeldkonto?

Henzler: Das Geld ist sicher. Aber einen sonderlich hohen Ertrag bringt es eben auch nicht. Wer derzeit sicher Geld anlegen möchte, kann sich an den zehnjährigen Bundesanleihen orientieren. Die erzielen rund drei Prozent Rendite. Kurzfristigere Gelder liegen im Ertrag etwas darunter. Als Anleger muss man nun wissen, dass Rendite auch immer Risiko bedeutet. Ich sehe derzeit die Möglichkeit, mehr Risiko einzugehen, um eine höhere Rendite zu erzielen, als sehr unattraktiv an.

Also die Flucht in Gold?

Henzler: Davon rate ich definitiv ab. Ich weiß, dass das viele Kollegen anders sehen. Aber wer heute die Unze Gold für 900 Dollar kauft, muss auch damit rechnen, dass sie gegebenenfalls in einem halben Jahr nur 500 Dollar wert ist. Vielleicht sollte sich mancher Verbraucher überlegen, ob er nicht mit seinem Ersparten jetzt Kredite zurückzahlt und damit hohe Zinsverpflichtungen einspart. Das kann viel lukrativer sein als so manche Anlage.

Welches Ziel verfolgt die EZB mit ihrer Politik?

Henzler: Es sind eigentlich zwei Ziele: Erstens will die EZB mit ihrer expansiven Geldpolitik das Bankensystem funktionsfähig machen und den Geldmarkt reanimieren. Zweitens will die EZB die Finanzierungskonditionen für die Wirtschaft und die privaten Haushalte verbessern, damit diese investieren. Und deshalb zeichnet sich nun auch ein absolutes Novum in der europäischen Geldpolitik ab. Die EZB will direkt Wertpapiere, vor allem Pfandbriefe, aufkaufen. Damit versucht sie, die langfristigen Zinsen zu drücken. Und zwar zum ersten Mal am Bankensystem vorbei. Diese quantitative Lockerung führt dazu, dass die Geldmenge erhöht wird. Die EZB will für 60 Milliarden Euro Pfandbriefe aufkaufen. Das ist bei einem Pfandbrief-Volumen von 1600 Milliarden Euro nicht mehr als ein erstes Zeichen und ein Impuls. Mittelfristig birgt das Gefahren.

Inflationsgefahr?

Henzler: Mittelfristig ja. Die Europäische Zentralbank und andere Zentralbanken können ja auch wieder diese expansive Geldpolitik zurückfahren. Die Frage ist aber, ob dies dann politisch auch gewollt ist.

An dem Punkt, wo die Konjunktur anspringt, steigt die Inflationsgefahr. Steuert die EZB dann gegen, könnte sie damit auch die zarte Pflanze des Aufschwungs abwürgen. Diese Situation wird kommen, und es wird keine leichte Entscheidung.

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