Rente mit Nachhaltigkeits-Faktor

BERLIN. Eigentlich sollte die Rürup-Kommission ihre Vorstellungen zu einer weiteren Rentenreform erst im Spätsommer präsentieren. Doch der anhaltende Knatsch in der SPD machte den Zeitplan der Wissenschaftler zunichte.

Wie schon beim Thema Gesundheit war plötzlich Tempo gefragt.Schließlich will der SPD-Sonderparteitag am 1. Juni auch über dieRente debattieren. Was die Gelehrten um den DarmstädterFinanzwissenschaftler Bert Rürup in der gebotenen Eile zu Papierbrachten, dürfte vielen Genossen allerdings kaum gefallen. Dennlangfristig sollen die Altersbezüge gleich auf dreifache Weisebeschnitten werden. Unter dem Strich müssten die Menschen mehrarbeiten, um dafür etwas weniger Rente bekommen. Geringerer Rentenanstieg

Zum einen schlägt die Kommission eine Veränderung bei der Bruttolohn-bezogenen Rentenberechnung vor. Danach sollen nur noch bestimmte Einkommen zu Grunde gelegt werden, was sich mindernd auf den Rentenanstieg auswirkt. Der gleiche Effekt wird zusätzlich mit einem so genannten Nachhaltigkeits-Faktor erzielt, der das quantitative Verhältnis von Rentnern und Beitragszahlern in der Rentenformel berücksichtigt.

Zwar bemühte sich Rürup, alle Parallelen zu seinem vormals kreierten Demografie-Faktor vergessen zu machen. Sein Kommissionskollege, der Ökonomie-Professor Axel Börsch-Supan, räumte aber ein, dass es es sich um einen "Demografie- und Erwebstätigenfaktor" handelt. "Aber das war uns zu lang". Darüber hinaus sollen die steigende Lebenserwartung und die daraus resultierenden Belastungen für die Rentenkasse durch eine schrittweise Anhebung des Renteneinstrittsalters ab dem Jahr 2010 aufgefangen werden.

In der Endstufe wären das 67 Jahre, wobei im Jahr 2011 erstmals die 1945 Geborenen mit einer Anhebung um einen Monat betroffen sind. Parallel dazu steigt auch die Altersgrenze für den frühestmöglichen Rentenbezug auf 64 Jahre. Vorzeitige Erwerbsminderungsrenten würden aber weiterhin gewährt. Rürup machte deutlich, dass der Rentenbeitrag ohne diese Maßnahmen bis zum Jahr 2030 auf über 24 Prozent steigen würde, anstatt bei etwa 22 Prozent zu verharren, wie es die vor zwei Jahren verabschiedete Rentenreform vorsah. Die damaligen Vorausberechnungen sind demnach Makulatur.

Ob sich die neuen Annahmen als haltbar erweisen, steht freilich genau so in den Sternen. Ein nachhaltige Beitragsfinanzierung der Renten sei nur bei einer "günstigen Beschäftigungsperspektive für die Erwerbstätigen gesichert", heißt es in dem Kommissionspapier. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler würden die Abschläge das Niveau der gesetzlichen Rente bis 2030 um 2,2 Prozentpunkte verringern. Durch die längere Beschäftigungsdauer steigen im Gegenzug allerdings auch die erworbenen Rentenansprüche.

Um den heutigen Versorgungsstandard auch dann noch zu gewährleisten, müssen allerdings zusätzlich vier Prozent vom Brutto in die private Vorsorge (Riester-Rente) eingezahlt werden. Anders als beim vielstimmigen Gelehrten-Chor zur Zukunft des Gesundheitswesens war sich die 26-köpfige Runde diesmal weitestgehend über ihre Vorschläge einig.

Nur die beiden Gewerkschaftsvertreter, Ursula Engelen-Kefer und Klaus Wiesehügel stimmten dagegen. Die Annahmen, bis 67 zu arbeiten und gleichzeitig Riester-Vorsorge zu betreiben, seien unrealistisch. Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) sprach dagegen von einem "gangbaren Weg", der allerdings noch um Härtefallregelungen ergänzt werden müsse. Ein genaues Datum für die mögliche Umsetzung der Vorschläge gibt es nicht. Nach den bisherigen Plänen der SPD-Fraktion soll bis zum Herbst lediglich ein Gesamtbericht vorliegen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort