Schlammschlacht um Arbeitslose

WITTLICH. Sie gelten als Herzstück der Hartz-Gesetze zur Reform des Arbeitsmarktes, die Personal-Service-Agenturen (PSA). Doch es regt sich Widerstand gegen die geförderte Vermittlung von Langzeitarbeitslosen, vor allem von privaten Zeitarbeitsfirmen. Auch in der Region Trier, wie ein Beispiel aus Wittlich zeigt.

Es sollte so einfach gehen: Spezielle Agenturen vermitteln Langzeitarbeitslose in Arbeit, zunächst als Aushilfsarbeiter, langfristig als festangestellte Mitarbeiter. Dafür gibt es für die neu gegründeten Personal-Service-Agenturen Geld vom Arbeitsamt - rund 1000 Euro je Einstellung. Weiteres Fördergeld fließt beim Abschluss eines festen Vertrages mit dem neuen Arbeitgeber. "Klebe-Effekt" nennt sich das im Arbeitsamts-Jargon.Doch zwei Monate nach dem Start ist die Euphorie verraucht. So haben die PSA in den ersten Wochen im Schnitt nur etwa zehn Prozent ihrer zugesagten Einstellungen eingehalten. Aus angepeilten 50 000 vermittelten Arbeitslosen bis zum Jahresende sind nach offiziellen Angaben bisher lediglich 6500 geworden. Von denen haben sogar weniger als 200 eine feste Stelle.Nur etwa zehn Prozent des Solls eingestellt

Da bildet die Region Trier keine Ausnahme. "Die PSA sind nicht so erfolgreich wie erhofft", gesteht Karl-Heinz Hut, PSA-Referatsleiter vom Landesarbeitsamt Saarbrücken. Er sieht vor allem die Betreiber in der Pflicht, das von den Arbeitsämtern angebotene Personal stärker abzurufen. Längst herrscht in den Arbeitsämtern Frust über das Hartz-Kernstück. Hinter vorgehaltener Hand wird immer wieder eingeräumt, dass die PSA ein Rohrkrepierer sei: Nicht nur, weil der Bedarf an Leiharbeitern bereits von kommerzieller Seite ausreichend gedeckt werde, sondern auch, weil nur bei boomender Wirtschaftslage mehr Aushilfen als derzeit gefragt seien.Das bedeutet für die PSA-Betreiber im Umkehrschluss, knallhart zu kalkulieren und ihre Möglichkeiten auszuschöpfen. Heißt: Manch ein Betreiber nutzt seine öffentliche Förderung dazu, Arbeitslose zu Dumpingpreisen auf dem Markt anzubieten. Wie jüngst in Berlin geschehen, wo eine gelernte Bürokauffrau zum Stundenlohn von 3,26 Euro angeboten wurde. So ist es für Unternehmer zwar durchaus üblich, 30 Prozent weniger Lohn als in den Betrieben zu zahlen. Doch die Ausfälle häufen sich, wie Norbert Grünwald, Vorstand der Interessengemeinschaft Nordbayrischer Zeitarbeitsunternehmen (INZ) feststellt. "Personal-Service-Agenturen provozieren Missbrauch", urteilt er scharf. Wenn der Erfolg nicht absehbar sei, würde der Arbeitnehmer unter Wert angeboten, das Risiko auf andere Unternehmenszweige verteilt oder die Verträge angepasst.Wie im Fall der Wittlicher PSA Imperia, einer Tochter der St. Wendeler Imperia Immobilien & Personalservice GmbH. INZ-Vorstand Grünwald hält ihre Arbeitsverträge für ungültig: "In den Punkten Urlaubsdauer, Nachtarbeit und Arbeitszeitkonten weisen die Imperia-Verträge Abweichungen von dem verwendeten Tarifvertrag der Christlichen Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA und der INZ auf." Diese Abweichung sei nicht mit den Tarifparteien abgesprochen worden und vor allem unerlaubt."Es müssen alle Passagen übernommen werden, auch ohne dabei Mitglied im Arbeitgeberverband zu sein", erklärt auch Gewerkschaftsvorstand Gunter Smits. Bei Verstößen müssten eigentlich die Arbeitsämter als Kontrollinstanz eintreten. Doch habe ihnen der Gesetzgeber nicht ausdrücklich die Kontrolle darüber zugewiesen - "eine gesetzliche Grauzone, in der dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet wird".Norbert Grünwald sieht dennoch die Arbeitsverwaltung in der Pflicht. Nachdem das Trierer Arbeitsamt auf ein Schreiben hin nicht reagiert habe, in dem er auf seine Zweifel an einer organisatorischen Trennung von PSA-Tätigkeit und den Immobilien-Geschäften hingewiesen habe, will er sich nun mit einer Beschwerde ans Landesarbeitsamt in Saarbrücken wenden. "Wir rechnen damit, dass wir Dienstaufsichtsbeschwerden einreichen müssen", sagt Grünwald. Immerhin sei man dort als zuständige Aufsichtsbehörde verpflichtet, das hier gültige Arbeitnehmerüberlassungsgesetz einzuhalten.Arbeitsamt: Keine Zweifel

Beim Trierer Arbeitsamt dagegen weist man jegliche Kritik zurück. "Wir haben die Imperia überprüft", sagt Arbeitsamtsdirektor Hans Dieter Kaeswurm. An ihrer Arbeitsweise bestünden keine Zweifel. Doch gesteht er ein, dass auch die Imperia ihr Soll von 50 Vermittlungen bislang nicht eingehalten hat. Lediglich zehn Angestellte gibt es. Und bei etwa 19 Mitarbeitern wird das Geschäft mit den Arbeitslosen rentabel. Nun gibt es ein Ultimatum für die Wittlicher PSA, bis zum 9. September etwa 70 Prozent ihres Solls einzustellen. "Ansonsten schließen wir auch eine Vertragskündigung nicht aus", sagt Kaeswurm.Derweil herrscht in Wittlich ein Kleinkrieg zwischen der staatlich geförderten Imperia und dem kommerziellen Platzhirsch Armon. Armon-Geschäftsführer Bruno Hebel hält die PSA-Konkurrenz für eine Wettbewerbsverzerrung, die seiner Meinung nach unzulässigerweise Mitarbeiter von Armon abwerbe. Imperia Hauptgesellschafter Hans-Joachim Seibert reagierte darauf mit einer einstweiligen Verfügung gegen Hebels Vorwürfe. "Wir legen keinen Wert darauf, jemanden abzuwerben", sagt Seibert. Zwar sei es schwierig, das Soll von 50 Angestellten zu erfüllen. Doch werde man weder den billigen Jakob spielen noch mit unlauteren Mitteln arbeiten. Doch auch gegen Seibert ist eine Klage vor dem Trierer Arbeitsgericht anhängig. Ein Ex-Mitarbeiter prozessiert gegen die PSA, weil die Imperia ihm wegen unwahrer Behauptungen fristlos gekündigt hat. Ausgang ungewiss.Die Langzeitarbeitslosen haben in diesem Hickhack keine Wahl. Weigern sie sich auf Empfehlung des Arbeitsamtes in eine PSA zu wechseln, so müssen sie mit einer Kürzung ihrer Stütze rechnen, im schlimmsten Fall wird ihnen ihre Bezahlung bis zu drei Monaten gesperrt. "Bei einem Lohn von 6,50 Euro in der Stunde habe ich kaum Verdienst", sagt ein betroffener Arbeitnehmer im Gespräch mit dem TV . Druck von Seiten des Arbeitsamtes und der PSA den Job anzunehmen sei jedenfalls da, so gehe es vielen. "Aber ich habe ja keine Alternative".KOMMENTAR SEITE 2

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