Schlau sein allein garantiert nicht den Erfolg: Trierer Psychologieprofessorin Franzis Preckel im Volksfreund-Interview

Hochbegabt ist, wer ein hohes Entwicklungspotenzial in einem bestimmten Bereich hat. Aber ob ein intellektuell begnadeter Student erfolgreich ist, hängt noch von weitaus mehr Faktoren als der Intelligenz ab. Volksfreund-Mitarbeiterin Katja Bernardy sprach mit Prof. Dr. Franzis Preckel von der Uni Trier. Sie hat bundesweit die einzige Professur für Hochbegabtenforschung und -förderung im Fach Psychologie.

Frau Prof. Dr. Preckel, was ist Hochbegabung?
Prof. Franzis Preckel: Von Hochbegabung spricht man, wenn ein hohes Entwicklungspotenzial in einem bestimmten Bereich vorhanden ist. Hochbegabung ist kein Naturphänomen, sondern ein soziales Konstrukt. Hochbegabung ist selten, also nicht der Normalfall. Die Indikatoren bei einer Hochbegabung in Sport, Kunst oder Musik sind oft einfacher nachzuvollziehen als bei intellektueller Hochbegabung. Diese ist breiter definiert. Selten ist es so, dass jemand in allen Bereichen besondere Talente hat. Es macht Sinn, ein Begabungsprofil mit spezifischen Stärken zu erstellen. Hochbegabung ist übrigens keine Garantie für gute Leistungen. <b>TV-Serie Studieren in Trier



Wie viele hochbegabte Menschen gibt es in Deutschland?
Preckel: Zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung ist eine gängige Zahl, die genannt wird, wenn diese Frage aufkommt. Ein Intelligenzquotient von 130 gilt oft als Grenzwert zur intellektuellen Hochbegabung in der Forschung, wo man solche Grenzwerte benötigt, um zum Beispiel Gruppen miteinander vergleichen zu können. Im Alltag macht das Setzen strikter Grenzwerte aber oft keinen Sinn, denn die Unterschiede sind eher fließend.

Sie haben seit 2006 bundesweit die einzige Professur für Hochbegabtenforschung und -förderung im Fach Psychologie. Was genau erforschen Sie?
Preckel: Unsere Forschung ist sowohl grundlagen- als auch anwendungsbezogen. Beispielsweise erforschen wir, was Hochbegabung ausmacht, wie man hochbegabte Schülerinnen und Schüler an Schulen fördern kann oder wie man Eltern und Lehrkräfte beim Umgang mit Hochbegabten unterstützen kann.

Was erforschen Sie aktuell? Und gibt es schon ein Ergebnis?
Preckel: Ein Großteil unserer Forschung liegt aktuell bei der wissenschaftlichen Begleitung von Begabtenklassen am Gymnasium. Unsere Forschungsergebnisse zur leistungsbezogenen und sozio-emotionalen Entwicklung der Schülerinnen und Schüler in diesen Klassen unterstützen dabei diese Fördermaßnahme. In unserem jüngsten Forschungsprojekt untersuchen wir gerade die Einstellungen von Lehramtsstudierenden und Lehrkräften gegenüber hochbegabten Schülerinnen und Schülern, zum Beispiel was spontan mit dem Wort hochbegabt assoziiert wird. Wir stehen noch am Anfang der Forschung, aber es ist bereits eine Tendenz erkennbar. Vor allem in Zusammenhang mit Jungen ist das Wort Hochbegabung nicht so sympathisch besetzt. Das Wort ist anfällig für Assoziationen wie "schlau, aber sozial schwierig", "introvertiert" oder "unangepasst". Dabei sind Hochbegabte tendenziell besser in der Lage, mit Alltagsanforderungen umzugehen. Wir machen auch einen Kulturvergleich mit den USA und Israel sowie Australien. In Deutschland scheinen dabei die negativen Assoziationen am stärksten zu sein.

Wie viele der Studierenden an der Uni Trier sind hochbegabt?
Preckel: Sicherlich deutlich mehr als zwei bis fünf Prozent. Denn der universitäre Kontext zieht Leute an, die gerne lernen. Ich habe schon viele tolle und sehr begabte Studierende an der Uni Trier kennengelernt.

Welche Möglichkeiten haben Hochbegabte an der Uni? Gibt es spezielle Förderprogramme? Oder "genügt" die Uni?
Preckel: Vorneweg muss man sagen: Uni ist nicht gleich Uni. Überlaufene Studiengänge mit einem Verhältnis von 60 Studierenden zu einem Dozenten bzw. einer Dozentin oder noch mehr sind keine günstigen Fördervoraussetzungen. Denn bei Begabungsförderung spielt der persönliche Kontakt eine sehr wichtige Rolle. Beispielsweise haben sich Mentorenmodelle, also ein Erwachsener steht einer Studentin oder einem Studenten als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung, bewährt. Um die Chancen, die die Uni für die Entwicklung der eigenen Möglichkeiten bietet, zu nutzen, sind zudem noch weitere Faktoren wie Glaube an sich selbst, Ausdauer oder Organisationsfähigkeit mitentscheidend.

Sind Hochbegabte immer die erfolgreichsten Studierenden?
Preckel: Nicht immer, aber oft. Aber erfolgreich in Schule und Studium zu sein, ist kein Selbstläufer. Unterschiede in Intelligenzquotienten erklären etwa 25 Prozent der Unterschiede zwischen Noten. 75 Prozent der Leistungsunterschiede machen etwa Vorwissen, Anleitung und Unterstützung, Motivation, der Wille, etwas in die eigene Entwicklung zu investieren oder der Glaube an die eigenen Fähigkeiten aus. Es ist vergleichbar mit dem Sport: Wer eine gute Grundsportlichkeit mitbekommen hat und sich dann aber nicht bewegt und trainiert oder nicht an sich glaubt, wird als Sportler keine Erfolgserlebnisse haben. Das Potenzial zu haben reicht also allein noch nicht aus.

Wie können Hochbegabte an der Uni glücklich werden?
Preckel: Wie alle anderen auch - ein Glücksrezept gibt es nicht. Ich denke zudem, dass Begabung nicht zu besonderer Leistung verpflichtet. Oft ist man jedoch zufriedener, wenn man seine Möglichkeiten und Leistungspotenziale auch entwickeln und ausleben kann. katExtra

Besonders begabte und interessierte Schülerinnen und Schüler können bereits während der Schulzeit ein sogenanntes Frühstudium aufnehmen. Voraussetzung ist ein Schreiben der Schulleitung, das die Eignung für das Studium bescheinigt. Als Frühstudierende besuchen sie die reguläre Lehrveranstaltungen an der Universität. Sie können dabei auch Leistungsnachweise erwerben und Prüfungen ablegen, die bei einem späteren Studium des gleichen Faches in Rheinland-Pfalz anerkannt werden. Grundsätzlich kommen alle Studienfächer, auch Fächer mit Zulassungsbeschränkung, infrage. katExtra

Prof. Dr. Franzis Preckel (42, Foto: privat) lehrt an der Universität Trier. Sie hat bundesweit die einzige Professur für Hochbegabtenforschung und -förderung im Fach Psychologie. kat

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