Schluss mit unpraktischer Regelung

Trier/Luxemburg · Für viele Luxemburgpendler waren es aufregende Monate. Muss ich die Betriebsfeier oder das Seminar, die Weiterbildung oder auch den Krankheitstag in Deutschland versteuern? Eine Vereinbarung zwischen Berlin und Luxemburg zieht darunter nun einen Schlussstrich.

 Rund 28 000 Menschen aus der Region Trier pendeln täglich zur Arbeit nach Luxemburg. Für viele von ihnen kann die Vereinbarung zwischen Berlin und Luxemburg nun eine Vereinfachung bringen. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Rund 28 000 Menschen aus der Region Trier pendeln täglich zur Arbeit nach Luxemburg. Für viele von ihnen kann die Vereinbarung zwischen Berlin und Luxemburg nun eine Vereinfachung bringen. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Trier/Luxemburg. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster verbreitete gestern die frohe Kunde für die rund 28 000 Pendler aus der Region. Demnach haben sich der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden und sein deutscher Amtskollege Wolfgang Schäuble auf eine sogenannte Verständigungsvereinbarung geeinigt und das Papier bereits unterzeichnet.
Das Abkommen enthält eine Bagatellregelung, die es Grenzpendlern erlaubt, in Deutschland oder in Drittstaaten weniger als 20 Arbeitstage im Jahr zu arbeiten, ohne dass das Finanzamt dafür Steuern einzieht.
Dabei ist es vollkommen egal, ob der Pendler an einer Fortbildung oder einem Vortrag teilnimmt, einen Betriebsausflug mitmacht oder beispielsweise ganz normal zu einem Arbeitstag im deutschen Mutterkonzern antritt. 19 Tage sind frei, vom 20. Tag an werden Steuern fällig, und zwar auch für die ersten Tage.
Der Chef des Trierer Finanzamtes Jürgen Kentenich begrüßt die Vereinbarung: "Es ist sehr positiv, dass diese Angelegenheit nun geregelt ist." In einigen Sachen hätte die Vereinbarung das Vorgehen des Finanzamtes bestätigt, in anderen geht es sogar darüber hinaus.
So werden etwa Arbeitslohn, Krankengeld oder Mutterschaftsgeld, die für die Zeit einer Erkrankung oder einer Mutterschaft gezahlt werden, nun in Deutschland steuerfrei. Gleichzeitig bleibt der Grundsatz des Doppelbesteuerungsabkommens aber unangetastet: Wer als Pendler in Luxemburg angestellt ist, wird in Deutschland für die Tage steuerpflichtig, die er in Deutschland oder einem anderen Drittstaat arbeitet. Fällig wird die Steuer, wenn die Freigrenze von 19 Tagen überschritten wird. "Deshalb hilft diese Regelung vor allem dem Banksektor und der IT-Branche", meint Kentenich. Der Bausektor oder Berufskraftfahrer und Busfahrer haben wohl nichts von der Vereinbarung, weil sie oft die 19-Tage-Grenze überschreiten.
Auch die luxemburgische Gewerkschaft beurteilt die Vereinbarung mit einem lachenden und weinenden Auge. Zwar sieht die Gewerkschaft die Lösung als "kleines Dankeschön" an.
Vor allem aber scheint man enttäuscht zu sein, dass es keine Generalamnestie für Altfälle gibt.
Vorstandsmitglied Nico Clement: "Der OGBL ist enttäuscht, dass es versäumt worden ist, eine weitergehende Einigung zu erzielen. Wesentliche Probleme bleiben unbeantwortet."
Insbesondere die rückwirkende Besteuerungspraxis schade den betroffenen Arbeitnehmern. Es könne nicht sein, dass sie die Leidtragenden der überstürzten Änderung der Besteuerungspraxis sein sollen, so die Gewerkschaft in ihrer Stellungnahme.Meinung

Schnell, gut, mit Augenmaß
Überraschend schnell haben sich Berlin und Luxemburg auf eine Regelung in der Grenzgängerproblematik geeinigt. Viele Betroffene befürchteten schon, dass auf ihrem Rücken die beiden Staaten ganz andere Fragen austragen: Wie sieht es mit dem Bankgeheimnis in Luxemburg aus, gibt es Kontrollmitteilungen an deutsche Behörden? Wären die Pendler bei diesen großen Fragen zwischen die deutschen und luxemburgischen Mühlräder geraten, wären sie wohl schnell zum Bauernopfer geworden. Nun aber haben sich Luc Frieden und Wolfgang Schäuble auf einen gangbaren Weg geeinigt, der den Grenzgängern entgegenkommt. Sie müssen nicht groß belegen, ob sie an einem Tag auf einer Fortbildung, einem Vortrag oder schlicht zum Kundengespräch in Deutschland waren. 19 Tage bleiben steuerfrei - das reicht, um viele Arbeits-Stippvisiten unbürokratisch abzuhaken. Die Regelung hebelt aber nicht das Doppelbesteuerungsabkommen aus. Und das ist gut so: Denn warum sollten dann nicht noch mehr Firmen aus der Grenzregion drüben ihre Zelte aufbauen und ihre Leute weiter in Deutschland arbeiten lassen? Dies würde vor allem Städte und Gemeinden treffen, denen die Steuern dann fehlen. h.waschbuesch@volksfreund.de

Extra

Der CDU-Abgeordnete Bernhard Kaster verkündete gestern Morgen die Meldung über die Vereinbarung als Erster. Kaster hat im Hintergrund an der Lösung des Grenzgängerproblems mitgearbeitet und seinen Anteil an der Verständigung. Doch sein Vorpreschen hat einige Beteiligte verärgert. Nachmittags meldete sich der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl: "Ich bin dankbar, dass der Bundesfinanzminister die zwischen Minister Frieden und mir vereinbarten Lösungswege übernommen hat", schreibt Kühl. Er übte zudem Kritik an Kaster, der zunächst geschrieben hatte: "Kriminalisierung der Grenzpendler hat ein Ende." Die Überschrift auf Kasters Internetseite wurde später geändert in: "Steuerdebatte hat ein Ende für Grenzpendler." Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden bezeichnete nachmittags die Lösung als faire Regelung. hw

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