Schönrechnen und bereinigen

TRIER. Die Experten sehen schwarz. Die von der Bundesregierung versprochene Wende am Arbeitsmarkt ist nicht in Sicht. Zudem drosselt der Irak-Krieg die Konjunktur und verhindert die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Anfangdes Jahres gingen die Arbeitsmarktforscher noch davon aus, dasswenigstens der Abbau von Arbeitsplätzen zurückgeht. Heute malensie nur noch schwarz: "Die Zahl der Arbeitslosen wird über dasJahr steigen", glaubt Jörg Hinze vom Hamburger Welt-WirtschaftsArchiv. Verständlich, dass sich die Bundesregierung Gedanken darüber macht, wie man die offiziellen Arbeitslosen-Statistiken bereinigen kann. So denkt Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) daran, bei der Erfassung der Arbeitslosen die EU-Standards anzuwenden. Konkret bedeutet das: In der Statistik sollen nur noch Arbeitslose erfasst werden, die tatsächlich vermittelt werden wollen. Damit könnte sich die Zahl der so genannten Stillen Reserve erhöhen, also die Zahl derjenigen, die arbeiten könnten, aber aus verschiedenen Gründen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen.

Bereits jetzt schätzt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg diese Stille Reserve auf 2,5 Millionen Personen. Im vergangenen Jahr ist die Stille Reserve immerhin um 140 000 gewachsen. Streng genommen, so das IAB, das zur Bundesanstalt für Arbeit gehört, müsste diese Reserve zu den Arbeitslosenzahlen hinzugerechnet werden. Minister Clement will auch die Arbeitslosigkeit neu definieren und mit europäischen Standards angleichen. Arbeitslos ist danach derjenige, der nur eine Stunde und weniger pro Woche arbeitet. Bislang wird die Grenze bei 14 Stunden gezogen. Durch dieses Schönrechnen soll die Arbeitslosenquote um mehr als ein Prozent sinken.

Heute erfasst die Arbeitslosen-Statistik nach Einschätzung der IAB-Forscher nur zwei Drittel der tatsächlich Betroffenen. Die monatlich vom Chef der Bundesanstalt veröffentlichten Zahlen scheinen deshalb unglaubwürdig. Zahlreiche Arbeitslose werden durch Beschäftigungsmaßnahmen und Umschulungen aus der Statistik gedrängt. Job-Suchende werden häufig zu verschiedenen Umschulungen geschickt. Die Aussicht auf einen Job steigt dadurch nicht unbedingt, aber sie fallen aus der Statistik.

Nach Angaben des Landesarbeitsamtes konnten 62,1 Prozent der Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen 2001 in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Auch das neue JobAqtiv-Gesetz, das eine bessere Vermittlung garantieren soll, bereinigte die Statistik: Arbeitslose, die sich nicht aktiv an der Job-Suche beteiligen, tauchen in den Zahlen nicht mehr auf.

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