Sicherheitsdenken als Bremse

Mit einer Kampagne "Gründerland Deutschland" will das Wirtschaftsministerium die Deutschen zum Schritt in die wirtschaftliche Selbstständigkeit ermutigen. Schon an den Schulen soll dafür geworben werden.

Berlin. Nicht nur die Information über Existenzgründungen soll intensiviert werden, auch in der Sache will man etwas für Unternehmer tun: beim Insolvenzrecht. Gescheiterte Unternehmer sollen sich künftig schneller entschulden können und so eine "zweite Chance" bekommen, sagte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) gestern in Berlin.

Laut Brüderle befinden sich die Details der Reform derzeit in der Abstimmung mit dem Justizministerium; noch im Herbst solle der Gesetzentwurf fertig sein.

Nur noch drei Jahre Wohlverhalten nötig



Kern ist, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, eine Halbierung der sogenannten Wohlverhaltensphase von derzeit sechs auf drei Jahre. Danach wäre das Einkommen eines Pleitiers von der Restschuld aus einer Insolvenz befreit; ein echter Neuanfang - auch eine neue Unternehmensgründung - wäre möglich. Brüderle sagte, zudem sollten Elemente der amerikanischen "Chapter-11-Regelung" in die Reform einfließen. Bei Insolvenzen nach Kapitel 11 der US-Insolvenzordnung findet eine Entschuldung unter Aufsicht statt. Dabei wird das Unternehmen restrukturiert, und die Schuldner bekommen statt Geld zumeist Anteile an der Firma. Weitere Details der Reform verriet der Minister nicht.

Der Unternehmergeist in Deutschland lässt nach Auffassung des Ministers zu wünschen übrig. Mit einer Selbstständigenquote von 3,8 Prozent sei man europaweit knapp vor Belgien Schlusslicht; im vergangenen Jahr wurden 410 000 Neugründungen registriert. Ursache dafür sei vor allem eine falsche Einstellung - nämlich das Sicherheitsdenken. Auch habe die Selbstständigkeit keinen guten Ruf. Ein Mentalitätswandel müsse her. Die "Gründerland"-Kampagne richtet sich deshalb gezielt an Hochschulen und Schulen. Für Letztere gibt es zum Beispiel Unterrichtsmaterial unter dem Titel "Traumberuf Chef". Im Herbst soll bundesweit eine Gründerwoche stattfinden. Eine besondere Zielgruppe sind außerdem die innovativen Unternehmen, für die es einen eigenen Gründerwettbewerb und einen eigenen Fonds geben soll. Ein spezieller Aktionstag soll sich dem Thema "Unternehmensnachfolge" widmen. Oft, so Brüderle, sei die Fortsetzung und Übernahme einer etablierten Firma eine gute Alternative zur Neugründung eines eigenen Unternehmens.

Gründer sollen besseres Image bekommen



Unterstützen will die schwarz-gelbe Bundesregierung auch das Modell "Business Angels" (Geschäfts-Engel), bei dem ältere Unternehmer oder Experten Gründern mit Rat, Tat und manchmal auch Kapital zur Seite stehen. Die Internetseite www.existenzgruender.de begleitet die Kampagne.

Wenn in Deutschland derzeit Firmen neu gegründet werden, dann sind es vor allem kleine Ich-AGen von Arbeitslosen. Es sei ein Phänomen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben, dass die Zahl der Gründungen in der Krise nach oben und bei guter Konjunktur nach unten gehe. "Eigentlich müsste es umgekehrt sein." Unternehmensgründer müssten wieder ein positives Image bekommen. "Es würde schon helfen", fügte Wansleben im Scherz hinzu, "wenn der Unternehmer nicht in jedem Krimi der Mörder ist."

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