Skepsis über Wahlfreiheit

BERLIN. Die Überlegungen in der SPD-Kommission zur Bürgerversicherung, künftig allen Deutschen eine Wahl zwischen gesetzlicher und privater Krankenkasse zu erlauben, sind auf Zurückhaltung und Skepsis gestoßen.

"Noch kein Durchbruch": So kommentierte Parteichef Franz Müntefering gestern einen Pressebericht. Auch Kommissionsmitglied Ursula Engelen-Kefer trat auf die Bremse. "Der Teufel steckt im Detail", sagte die DGB-Vize unserer Zeitung. Mit der Bürgerversicherung wollen die Sozialdemokraten das Gesundheitswesen auf eine stabile Finanzierungsgrundlage stellen. Dazu soll auch der Versichertenkreis erweitert werden. Privatkassenmitglieder wie Beamte und Selbständige sollen ebenfalls in die Bürgerversicherung einzahlen. Zugleich ist die private Krankenversicherung nur Gutverdienern vorbehalten. Der Rest muss sich zwangsweise gesetzlich versichern. Die entsprechende Einkommensgrenze soll ebenso fallen. In der Konsequenz müssten beide Systeme ihre Klienten zu gleichen Bedingungen versichern. Die Konditionen laufen dabei auf die der gesetzlichen Kassen hinaus.Idee vom einheitlichen Markt richtig

Das birgt jedoch Probleme. Während die "Gesetzlichen" ihren Beitrag nach dem Verdienst des Versicherten berechnen, kalkulieren die privaten Institute (PKV) mit dem individuellen Krankheitsrisiko. Auch verfügt die PKV für ihre elf Millionen Versicherten über Altersrückstellungen in Höhe von 85 Milliarden Euro. Bei den gesetzlichen Kassen ist dafür keinerlei Vorsorge getroffen. Im Prinzip sei die Idee der Schaffung eines einheitlichen Versicherungsmarktes richtig, urteilte der Finanzwissenschaftler und Regierungsberater Bert Rürup gegenüber unserem Blatt. In dem SPD-Vorschlag "bliebe die Rechtsform der PKV erhalten, allerdings ihr bisheriges Geschäftsmodell würde abgeschafft". Fazit Rürups: "Einen echten Wettbewerb zwischen einer umlagefinanzierten gesetzlichen Krankenkasse und einer mit risikoabhängigen Beiträgen arbeitenden kapitalgedeckten PKV kann es nicht geben." Die privaten Versicherer haben für den SPD-Plan naturgemäß keinerlei Verständnis. Die SPD betreibe eine ganz offenkundige Abschaffung seiner Branche, meinte PKV-Verbandssprecher Klaus Dietz. Im Ergebnis entstehe "ein Einheitsprodukt, das nicht zu mehr Wettbewerb führt". DGB-Vize Engelen-Kefer sprach dagegen von einer richtigen Grundlinie: "Die künstliche Zweiteilung in gesetzliche und private Kassen ist nicht besonders zukunftsfähig." Allerdings räumte sie ein, dass dabei bislang weder die Beitragsgestaltung noch die Einbeziehung von Nebeneinkünften geregelt sei. Die Gewerkschaften fürchten, dass dadurch schon mittlere Einkommensgruppen mehrfach zur Kasse gebeten werden. Außerdem stehe der Mehraufwand bei der Erfassung in keinem Verhältnis zu den Mehreinnahmen der Kassen. Nur durch mehr Geld würde die Bürgerversicherung auch einen Beitrag zur Senkung der Lohnnebenkosten leisten. Am Montag und Mittwoch nächster Woche will die SPD-Kommission erneut zusammenkommen. Ihr Bericht ist für Ende August geplant.

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