Sorge um den Wettbewerb

BERLIN. Öl, Benzin, Gas und Strom – alles ist teurer geworden. Die hohen Energiepreise verärgern die Verbraucher. Ulf Böge, Präsident des Bundeskartellamtes, zeigt sich im TV-Interview über die Entwicklung besorgt.

Preissteigerungen für Energie auf breiter Front. Sind Verbraucher dieser rasanten Teuerung schutzlos ausgeliefert?Böge: Wir haben im Markt eine drastische Veränderung von Angebot und Nachfrage. Die boomende Wirtschaft in Südostasien, insbesondere in China, verbraucht dramatisch mehr Energie. Die weltweiten Raffineriekapazitäten sind nicht entsprechend gewachsen. Hinzu kommen die Naturkatastrophe in den USA und die weltweiten Spekulationen im Energiemarkt. Durch dieses Bündel haben wir ein Preisproblem. Über das Kartellgesetz kann man das aber nicht lösen. Ist Ihre Wächter-Behörde demnach ein zahnloser Tiger? Böge: Nein. Wir greifen ein, wenn ein Missbrauch von Marktmacht vorliegt oder wenn durch Fusionen oder Beteiligungen unzulässige Marktkonzentration und damit Marktmacht aufgebaut werden. Wir haben mit unseren Verfahren einiges für den Verbraucher erreicht. Was ist mit den rasant gestiegenen Benzin- und Dieselpreisen? Das riecht doch nach Preisabsprachen?Böge: Wenn wir gegen Kartellabsprachen zum Beispiel von Mineralölkonzernen vorgehen wollen, brauchen wir handfeste Beweise. Was wir im Benzinmarkt erleben, hängt nicht mit irgendwelchen Preisabsprachen zusammen. Auch wenn ich hier keine Freizeichnung gebe. In diesem Markt treibt in erster Linie die Spekulation die Preise nach oben. Gegen Spekulationen kann eine Kartellbehörde nichts machen. Und beim Strompreis? Werden Sie denn da eingreifen?Böge: Beim Zugang zum Stromnetz gibt es noch immer eine zu große Abschottung, auch weil die Netzgebühren im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn viel zu hoch sind. Die Bundesregierung hat mit dem neuen Energiewirtschaftsgesetz vor Kurzem die Weichen richtig gestellt. Jetzt muss die neue Bundesnetzagentur energisch aktiv werden, um den diskriminierungsfreien Netzzugang zu ermöglichen und die Netznutzungsgebühren zu senken. Uns liegen Beschwerden vor, dass einige Stromerzeuger ihre steigenden Strompreise mit gestiegenen Preisen für Emissionszertifikate begründen. Hier haben wir Verfahren eingeleitet. Wir prüfen, ob ein Kartellrechtsverstoß vorliegt. Die Gaswirtschaft hat angekündigt, dass die Gaskunden mit deutlich höheren Preisen rechnen müssen. Was tun Sie dagegen? Böge: Wir haben bereits ernste Gespräche mit der Gaswirtschaft geführt. Einige Preisankündigungen sind wieder zurückgenommen worden. Wir haben auch erreicht, dass einige Versorgungsunternehmen Tarife für Verbraucher anbieten, die nicht mehr an die Ölpreiskoppelung gebunden sind. Das alles reicht aber nicht aus. Es gilt deshalb, noch zwei andere Stellschrauben anzupacken: Das ist die Frage des diskriminierungsfreien Zugangs zum Gasnetz. Das ist seit dem 1. Juli Aufgabe der Bundesnetzagentur. Die Kunden aus Industrie und Privathaushalt müssen die Möglichkeit haben, ohne großen Aufwand ihren Versorger zu wechseln. Das können sie nur, wenn der Handel Angebote machen kann, die jedermann zugänglich sind. All das nützt nichts, wenn nicht zugleich auch genügend Gasmenge vorhanden ist, mit der gehandelt werden kann. Und da sind die heute üblichen langfristigen Verträge, die zum Beispiel Weiterverteiler wie Stadtwerke bis zu 20 Jahre an Ferngaslieferanten binden, ein echter Hemmschuh für mehr Wettbewerb. Das kann und darf nicht sein. Das Bundeskartellamt hat daher schon vor längerem Verfahren eingeleitet. Ich bin sicher, dass wir schon Ende September neue, deutlich verbraucherfreundlichere Lösungen bekommen werden. Dabei geht es um kürzere Vertragslaufzeiten von zwei bis vier Jahren und geringere Abnahmequoten. Heutzutage sind zu viele Verträge Vollbedarfsdeckungsverträge. Im Übrigen ist eine Koppelung des Gaspreises an den Ölpreis nicht mehr zeitgemäß. In kartellrechtlicher Hinsicht darf eine solche Koppelung nicht Folge von Absprachen oder abgestimmtem Verhalten sein. Ferner ist aber auch der Einfluss der Ölpreis-Bindung auf die Gaspreise, die der private Haushalt bezahlen muss, oft nicht nachvollziehbar. Die Versorgungsunternehmen müssen hier mehr Transparenz schaffen und dürfen auch keinesfalls mehr als die Bezugskostensteigerungen in Rechnung stellen, wenn sie Kartellverfahren vermeiden wollen. d Mit Ulf Böge sprach Friedhelm Fiedler.

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