Späte Öffnung für "Mogelpackung"

BERLIN. Wie erwartet (und befürchtet) hat der Bundesrat am Freitag einen Antrag Bayerns zur Änderung der Verpackungsverordnung nicht abschließend entschieden, sondern zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Damit überdauert der jahrelange Streit um das so heftig umkämpfte Dosenpfand auch den Sommer 2004.

Erst am 24. September kann erneut darüber abgestimmt werden, ob die geltende Pfand-Regelung so bleibt oder durch den "konstruktiven Vorschlag Bayerns" (das Bundesumweltministerium) ersetzt wird. Das Dosenpfand ist eines der spektakulärsten Beispiele für Verbandsinteressen, Lobbyismus und politisches Geschacher überhaupt. Seit der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) Anfang der 90er Jahre die Pfandpflicht ins Gespräch brachte, haben sich die Interessenverbände in Stellung gebracht und das Vorhaben bekämpft. Und zwar so "erbittert und hartnäckig", sagt Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe, wie es ihm in keinem anderen Bereich je untergekommen sei. Der lange Atem des grünen Umweltministers Jürgen Trittin hat gleichwohl dafür gesorgt, dass vor zwei Jahren das Dosenpfand in Deutschland Pflicht wurde, trotz aller Bedenken und juristischen Schritte der Branchenverbände. Über die abschließende Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist allerdings noch nicht entschieden. Mit ein Grund, warum die bayerische Variante am Freitag vertagt wurde. Gegenwärtig gilt eine Pfandpflicht für fast alle Getränkearten, wenn eine bestimmte Mehrwegquote unterschritten wird. Sie hat sich bewährt, denn die Vermüllung der Landschaft vor allem mit Blechdosen ist drastisch zurückgegangen. Sollten die entsprechenden Quoten unterschritten werden, droht bald aber auch ein Pfand etwa für Säfte und Wein, was Ernährungs-Industrie, Einzelhandel und weinanbauende Bundesländer unbedingt verhindern wollen. Auch deshalb hat Bayern seinen Kompromissvorschlag gestartet - den der Freistaat selbst wieder gestoppt hat: Auf Druck verschiedener Bundesländer (Hessen sagt: "Bayern ist Trittin auf den Leim gegangen") und Wirtschaftspolitikern der Union nahm man von einer sofortigen Sachentscheidung Abstand und stimmte mit für die Überweisung in die Ausschüsse. In der Union hofft man noch, dass Trittins Pfandregelung vom EuGH verworfen wird, was sich politisch prima ausschlachten ließe. Bayern wollte "das ewige Hin und Her beim Dosenpfand beenden" (Bundesratsminister Erwin Huber) und die als bürokratisch empfundene Regelung durch ein einfaches System ersetzen. Demnach sollte sich die Pfandpflicht nur noch auf Massengetränke beschränken (Bier, Mineralwasser, Alkopops und Erfrischungsgetränke wie Cola) und einheitlich 25 Cent betragen. Ausgenommen von der Pfandpflicht wären nach diesem Modell Fruchtsäfte, Wein, Spirituosen, Mischgetränke, Milch und diätische Getränke. Das Bundesumweltministerium hätte damit sehr gut leben können. Trotz aller Widerstände spricht aber einiges dafür, dass die "bayerische Mogelpackung" (Einzelhandelsverband HDE) im Herbst doch noch eine Mehrheit in der Länderkammer finden wird.

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