Sprungbrett zur Selbstständigkeit

Trier · Auch wenn Frauen nach wie vor seltener ein Unternehmen gründen als Männer, so nimmt ihr Interesse an der Selbstständigkeit doch stetig zu. Auch in der Region Trier wächst der Anteil der Frauen, die ihr eigener Chef sein wollen. Grund: Vielen fällt es schwer, Familie und gelernten Job unter einen Hut zu bekommen und sich beruflich weiterzuentwickeln.

Trier. Birgit Kunz aus Thomm (Kreis Trier-Saarburg) ist ein Beispiel dafür, wie schwer es vielen Frauen fällt, trotz guter Ausbildung, jahrelanger Erfahrung sowie guter Referenzen Familie und Job unter einen Hut zu bekommen. "Ich habe verschiedene Stationen bei verschiedenen Arbeitgebern durchlaufen. Ein Hindernis war die Flexibilität, dass ich Kind, Kegel und Beruf nicht unter einen Hut bekommen konnte", sagt die Juristin mit Spezialgebiet Insolvenzrecht, Erbrecht und Arbeitsrecht. Ob es die Vor-Ort-Präsenz in der Kanzlei war oder die Hürde, Akten zur Bearbeitung nicht mit nach Hause nehmen zu können: Sie konnte entweder der Familiensituation nicht gerecht werden oder sich beruflich nicht weiterentwickeln. Folglich machte sie sich vor anderthalb Jahren selbstständig.
Gut 18 Prozent Wachstum


Etwas, das immer häufiger vorkommt, weiß Raimund Fisch, zuständig für Existenzgründung und Unternehmensförderung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier. "Das Interesse von Frauen an der Selbstständigkeit nimmt zu", sagt er und verweist darauf, dass das Verhältnis von Männern zu Frauen bei den Beratungsgesprächen für die Region inzwischen bei 60 zu 40 liegt (siehe Extra). Landesweit ist die Zahl der selbstständigen Frauen innerhalb von zehn Jahren um 18,4 Prozent gestiegen. Noch sind die Unternehmerinnen allerdings in der Minderheit. Schaut man sich bundesweit die Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) an, so machen sich zwar 6,5 Prozent der Männer zwischen 18 und 64 Jahren selbstständig, bei den Frauen sind es jedoch nur vier Prozent.
Dass Frauen häufig anders gründen als Männer, liegt schon allein an der Motivation zur Selbstständigkeit: "Die Tendenz geht derzeit zur Gründung aus dem Beruf oder der Familie heraus und zwar nebenberuflich. Frauen werden zusätzlich Unternehmerin, weil sie sich nach einer Angestellten- oder Kinderphase nochmals engagieren wollen", weiß Gründungsberater Fisch. Dies geschehe vor allem in der Gesundheitsbranche, im Dienstleistungssektor, im Handel und der Gastronomie.
Langlebigere Unternehmen


Dabei sei auffallend, dass Frauen strategischer planten, zurückhaltender investierten und einen gewissen Ertrag ihres Unternehmens bereits einkalkulierten. "Das ist durchdacht und hat große Aussicht auf Langlebigkeit", sagt der Experte von der IHK. Auch sei ein Businessplan qualitativ so ausgereift, dass die Beratung häufig wenig Zeit brauche.
Etwas, das Gründerin Birgit Kunz bestätigt. Mit Gleichgesinnten hat sie vor etwa einem Jahr einen Stammtisch ins Leben gerufen, der zeigt (siehe Extra): "Viele Frauen sind in der gleichen Ausgangslage, ob als Immobilienmaklerin, Architektin, Coach, Fotografin oder Gesundheitsberaterin. Sie wissen, was sie können und was sie wert sind und sich allein verpflichtet", sagt die Anwältin. Aber im Gegensatz zu Männern habe bislang das professionelle Netzwerk und das Wissen um die Situation der anderen gefehlt. Beim neuen Stammtisch könnten nun auch Frauen beruflich von den Kontakten zu anderen Unternehmerinnen profitieren.Extra

Wer sich selbstständig machen will, kann sich bei der IHK Trier bei einem ersten Infoabend zur Selbstständigkeit informieren und beraten lassen. Der nächste Termin ist am Montag, 31. August, 17.30 Uhr, in der Kammer. Aus einem Gründerinnen-Frühstück bei der IHK entstanden, trifft sich der Gründerinnen-Stammtisch aus rund 20 Teilnehmerinnen seit etwa einem Jahr regelmäßig, um sich auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Das nächste Treffen ist am Dienstag, 8. September, um 10.30 Uhr in der Weinbar Weinsinnig in Trier. sasExtra

Ob im Voll- oder im Nebenerwerb: Frauen sind bei Betriebsgründungen in den vergangenen Jahren immer stärker vertreten: So gab es im vergangenen Jahr laut der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier 3844 Gewerbeanmeldungen. Davon lag der Anteil der Betriebsgründungen von Frauen bei 35 Prozent. Dieser Trend setzt sich laut der Wirtschaftskammer auch in diesem Jahr weiter fort. Schaut man sich im Vorfeld zu den Existenzgründungen die Zahl der persönlichen Beratungen durch die IHK an, so gab es insgesamt 155 Gespräche. Dabei lag der Anteil der Frauen bei 42 Prozent. Bei der Zahl der Teilnehmer an Informationsveranstaltungen zum Thema Selbstständigkeit macht ihr Anteil bei insgesamt 311 Teilnehmern inzwischen 44 Prozent aus. sas

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