Streifzug durch die Zukunft

WITTLICH. "Zurück in die Zukunft": Das Institut für Mittelstandsökonomie (Inmit Trier) und die Stiftung Stadt Wittlich haben sich für die vierte Auflage ihres Unternehmerforums - gestern und heute - ein ehrgeiziges Programm vorgenommen. Doch schon mit dem Eröffnungsvortrag von Zukunftsforscher Horst Opaschowski war der Grundstein für "fruchtbare Gespräche" gelegt.

Es gibt kaum jemanden, der so charmant, eloquent und humorvoll über die "Grausamkeiten" der Zukunft sprechen kann wie Zukunftsforscher Horst Opaschowski: Im Deutschland 2010 gibt es weniger Erwerbstätige, weniger Beitragszahler, die einen Rentner finanzieren, das Rentenniveau sinkt, die Gesellschaft altert rapide, die Bevölkerung schrumpft. Kurz gesagt: "Die fetten Jahre sind vorbei - das Schlaraffenland ist abgebrannt.""Länger arbeiten bei gleichem Lohn"

Doch Opaschowski ist nicht bange um die Zukunft, der 63-Jährige sieht sich dem Optimismus verpflichtet und hält es mit Herakles, es gehe nicht darum, die Zukunft vorherzusagen, sondern auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Zehn Zukunftstrends stellte Opaschowski den Gästen beim Unternehmerforum vor: der von der Globalisierung ausgelöste Paradigmenwechsel "länger arbeiten bei gleichem Lohn" wurde mit zustimmendem Nicken quittiert, die "neue Lust an Leistung" schon mit hochgezogenen Augenbrauen entgegengenommen. "Arbeiten ohne Lust und Freizeit ohne Leistung, das erträgt der Mensch nicht", fasst der 63-Jährige seine Erkenntnisse zusammen. "Jeder ist in Zukunft als Lebensunternehmer gefordert", erklärte der Forscher den Zuhörern. All jenen, die in der Informationsgesellschaft den Wirtschaftsmotor für das 21. Jahrhundert sehen, nimmt der Referent hingegen Wind aus den Segeln: Auch 2020 werde Deutschland mehr Leistungs- und Konsumgesellschaft und weniger Informations- und Wissensgesellschaft sein. "Wir werden müde und abgeschafft von der Arbeit kommen und uns allenfalls mit unserer Frau oder unserem Kühlschrank unterhalten." Denn der typische Deutsche werde in Zukunft kinderlos und kurzsichtig sein. Opaschowskis Rechnung: "Wenn sich alle in der Welt so verhielten wie heute schon jeder dritte Deutsche, dann wäre die Erde in 120 Jahren kinderlos." Zuwanderung, Überalterung, Schnell-Lebigkeit - Opaschowski lässt den Zuhörern kaum Zeit, die Grausamkeiten zu verarbeiten, packt zudem seine Zukunftserwartungen in humorvolle Anekdoten und kleine Witze. Warum? Nun der Zukunftsforscher hat eine neue Solidarität entdeckt. Es gebe eine Wiederentdeckung des Gemeinsinns: "Verantwortungsgefühl ist den Menschen heute schon wichtiger als Durchsetzungsvermögen." Denn die Menschen hätten nach dem 11. September erkannt, dass es nur dann eine sichere Zukunft gebe, wenn das 21. Jahrhundert eine "Ära der Verantwortung" werde. Für Opaschowski steht auch fest, dass die Menschen eine Sinnorientierung suchen, die Halt, Beständigkeit und Wesentliches bringt. Seine These: "Die Religiosität als Lebensgefühl kehrt in den Alltag zurück." Und auch die Familie werde an Stellung gewinnen. Dort wo Sozialsysteme versagen - "die Pflegeversicherung ist spätestens nach Bundestagswahl pleite", sagt Opaschowski - sei die eigene Familie "billig und barmherzig". Von Politik und Wirtschaft fordert der Wissenschaftler endlich Taten. "Wir müssen die Gegebenheiten wie den demografischen Wandel akzeptieren und endlich eine vorausschauende Politik betreiben." Den Deutschen rät Opaschowski, mehr über "Lebensqualität statt über Lebensstandards" nachzudenken, um auf die Zukunft vorbereitet zu sein.

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