Sturm im Sprudelglas

Trier · Die Mineralwasserbrunnen in der Region hoffen noch auf einige heiße Tage. Die erste kühle und verregnete Sommerhälfte hat dem Sprudelabsatz nicht gutgetan. Nun wird zudem in der Branche über Grenzwerte für gesundheitlich unbedenkliche Pflanzenschutzrückstände diskutiert.

 Was darf im Mineralwasser drin sein? Diese Frage wird derzeit heftig diskutiert. Foto: Informationszentrale Deutsches Mineralwasser

Was darf im Mineralwasser drin sein? Diese Frage wird derzeit heftig diskutiert. Foto: Informationszentrale Deutsches Mineralwasser

Trier. Mineralwasser hat in den vergangenen Jahrzehnten einen ungeheueren Boom erlebt: Der Pro-Kopf-Verbrauch ist laut dem Verband Deutscher Mineralbrunnen (VDM) von 12,5 Litern Mineral- und Heilwasser im Jahr 1970 auf 135,5 Liter pro Kopf im vergangenen Jahr gestiegen. 201 Brunnen haben zehn Milliarden Liter Mineral- und Heilwasser abgesetzt und damit etwa drei Milliarden Euro erzielt. In der Region Trier sind mehr als 1000 Mitarbeiter bei den Brunnen beschäftigt (siehe Extra II).
Ministerium arbeitet an Kriterien


Doch die momentane Diskussion um sogenannte nicht relevante Metaboliten - das sind Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln, die nicht gesundheitsschädlich sind (siehe Extra I) - hat in der Branche für einige Aufregung gesorgt. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz arbeitet an Kriterien, die verbindliche Grenzwerte dafür im Gesetz festschreiben. Doch allzu niedrige Grenzwerte hält der VDM für seine über 200 Mitgliedsbetriebe für übertrieben. In einem internen Schreiben an seine Mitglieder soll der Verband sogar Befürchtungen Ausdruck verliehen haben, dies könne ein "Massensterben von Mineralbrunnenbetrieben" auslösen. Bei den Brunnen in der Region Trier löst die Diskussion indes keine Panik aus. Weder beim Gerolsteiner Brunnen, dem Dauner Sprudel oder der Nürburg-Quelle sind bisher nicht relevante Metaboliten nachgewiesen worden, sagen die Firmen auf Nachfrage.
Unter Metaboliten versteht man Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln, die ins Grundwasser beziehungsweise in Brunnen gespült wurden. Nicht relevante Metaboliten hätten keine Eigenschaften eines Pflanzenschutzmittels mehr, seien gesundheitsunschädlich und für die Umwelt unschädlich, erklärt der Verband.
Ökonomischer Druck?


Eine Einschätzung, die auch vom Landesuntersuchungsamt in Koblenz bestätigt wird. Pressesprecherin Kerstin Stiefel erklärt dem TV auf Nachfrage: "Vom Menschen in die Umwelt eingebrachte und nur schwer abbaubare organische Substanzen sind zunehmend auch in natürlichen Mineralwässern analytisch bestimmbar." Das liege zum Teil am höheren Eintrag dieser Stoffe in die Umwelt, noch mehr aber am analytischen Fortschritt im Labor. Bei Konzentrationen in einer Größenordnung von 0,05 Mikrogramm je Liter (ug/L = Millionstel Gramm pro Liter) gehe es nicht um gesundheitliche Folgen, sondern ausschließlich um das Etikett Ursprüngliche Reinheit. "Nach Paragraf 2 Nummer 2 der Mineral- und Tafelwasserverordnung ist natürliches Mineralwasser nämlich von ‚ursprünglicher Reinheit\', erklärt Kerstin Stiefel. Mineralbrunnen, bei denen eine Metabolit-Konzentration festgestellt wird, die über einem noch festzulegenden Grenzwert liegt, müssten nicht geschlossen werden. Für Tafelwasser, Limonaden oder Schorlen dürften solche Sprudel weiter unbedenklich genutzt werden. Doch für einen Mineralbrunnen könnte dies durchaus das wirtschaftliche Aus bedeuten. Denn betroffene Betriebe dürften für kein hochwertiges Mineralwasser auch nicht mehr die entsprechende Perlenflasche benutzen. "Völlig neue Gebinde einzuführen können sich viele Betriebe nicht leisten", sagte ein Verantwortlicher.
Regionale Brunnen entwarnen


Für die Brunnenbetriebe in der Region Trier sind die nicht relevanten Metaboliten kein Thema. "Der Gerolsteiner Brunnen ist von der Thematik Metaboliten nicht betroffen", sagte eine Sprecherin des Gerolsteiner Brunnens. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen, die über das Maß der gesetzlichen Auflagen weit hinausgingen, bestätigten die ursprüngliche Reinheit des Mineralwassers, so die Sprecherin. Auch Nürburg-Quelle-Chef Hermann Kreuter bestätigt dem TV, dass "es keine Spuren von Metaboliten" gebe. Harry Bergweiler, Geschäftsführer der Dauner Sprudel GmbH, verweist auf die Untersuchung durch das Landesuntersuchungsamt Koblenz. "Der Prüfbericht für 2012 bestätigt unserem Brunnen, dass keine Metaboliten vorhanden sind."Extra

In der Region sind mehrere große Brunnen angesiedelt: Der Gerolsteiner Brunnen ist mit seinen Gerolsteiner-Produkten die meistverkaufte Mineralwassermarke in Deutschland. Das Unternehmen beschäftigt etwa 740 Mitarbeiter. Ebenfalls im Vulkaneifelkreis ist die Dauner Sprudel GmbH mit gut 30 Mitarbeitern angesiedelt. In Dreis-Brück (Vulkaneifel) hat die Nürburg-Quelle Hermann Kreiter GmbH mit etwa 110 Mitarbeitern ihre Brunnen. Etwa 250 Mitarbeiter arbeiten bei der Hochwald-Sprudel Schupp GmbH (Thalfang) mit Unternehmenssitz in Schwollen (Birkenfeld). hwExtra

Seit 2010 werden im Landesuntersuchungsamt Speyer Mineralwasser aus Rheinland-Pfalz auf Pflanzenschutzmittel-Metabolite untersucht. Ein entsprechendes Gerät im Wert von 400 000 Euro wurde 2009 vom Land angeschafft. Dieser Flüssigkeits chromatograf kann Konzentrationen von 0,05 Millionstel Gramm in einem Liter Flüssigkeit nachweisen. Grenzwerte gibt es bisher nicht. Das Umweltbundesamt hat allerdings zur Beurteilung von normalem Trinkwasser Orientierungswerte für rund 50 nicht relevante Metaboliten veröffentlicht. Es werden Grenzwerte von einem bis drei Millionsteln Gramm je Liter akzeptiert. Diese Werte sind aber nicht aus gesundheitlichen Gründen festgelegt, sondern aus rein hygienischen Überlegungen. Ziel ist es, dass das Grundwasser möglichst unbelastet bleibt. Für Mineralwasser gibt es keine Regelungen. Bisherige Werte liegen weit unterhalb von Trinkwasserwerten. hw

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