Trier sucht die Super-Dose

Getränkedosen gelten heutzutage als umweltpolitisch nicht gerade korrekt. Bestenfalls nutzt man sie unter Zweckmäßigkeits-Gesichtspunkten, aber längst nicht mehr als Trend-Produkt.

Damit sich das ändert, haben der Branchen-Riese Ball Packaging, das Deutsche Verpackungsinstitut und die FH Trier, Abteilung "Design Körper Raum", ein Projekt gestartet.

Wenn es nach der Reaktion der Experten geht, dann könnte von Trier tatsächlich die Renaissance der Getränkedose ausgehen. Man sei "überrascht von der Vielfalt und überwältigt von der Qualität" der 29 Entwürfe, die die FH-Studenten ausgetüftelt haben, sagt Entwicklungs-Ingenieur Rainer Berkefeld von Ball Packaging. Und das ist immerhin einer der größten Getränkedosenhersteller Europas mit 3000 Mitarbeitern und Jahresumsätzen im Milliardenbereich.

Frech und realistisch



"Frech, träumerisch, dennoch realistisch", so schwärmt Oliver Berndt vom Deutschen Verpackungsinstitut von den Ideen der Trierer Jung-Designer. Gemeinsam mit Berkefeld und Ball-Marketingmanager Ulric Wörster ist er eigens nach Trier angereist, um die besten Vorschläge zu prämiieren. Die Dose sei "zu Unrecht als Umweltsünder verschrien", betont Professorin Anita Burgard, in deren bescheidenem Präsentations-Raum eine imposante Liste mit allen Preisen hängt, die ihre Studenten in den letzten Jahren eingeheimst haben. Nun muss sie wieder verlängert werden.

Ungewöhnlich an dem Wettbewerbs-Projekt sind die Vorgaben: Die Studenten sollen nicht nur auf der Basis verschiedener technischer Grundkonzepte die pure Verpackung entwickeln, sie können auch Produkt-Ideen für den Inhalt mitliefern. Im Grunde eine clevere Idee, gehören doch die Studis zur Kern-Zielgruppe der "Bis-30-Jährigen", die mit den neuen Dosen erreicht werden soll.

Zunächst ins Auge fallen denn auch die ungewöhnlichsten Kombinationen. Caroline Hedingers "Kolibri" beispielsweise, das einen Sirup-Cocktail zum SelberFertigmixen in einem Dosen-Design präsentiert, das an Shampoo-Flaschen erinnert. Oder Jens Hedingers "Trucker Shocker" mit eingebautem Trinkhalm, damit der geplagte Brummi-Fahrer beim Leeren der Dose auch bei den letzten Tropfen die Straße im Blick behalten kann.

Geradezu extravagant David Zellers Bacardi-Mix in Form einer Gewehr-Patrone oder Stefan Motzigembas Fitness-Brause in Gestalt einer überdimensionalen Pille. Für Otto Normalbiertrinker ungewöhnliche Getränke in nicht minder ungewöhnlichen Formen gibt es zuhauf: vom russischen Roggen-Malzbier über Götterspeise mit Wodka bis zum Kiwi-Limetten-Eissorbet aus der Dose.

Die sechs prämiierten Preisträger gehören freilich meist zur weniger exotischen Sorte. Es seien "nicht zwangsläufig die besten, sondern die praktikabelsten Entwürfe ausgezeichnet worden", erläutert Oliver Berndt. Wobei sich "praktikabel" offenkundig sowohl auf die technische Umsetzung als auch auf die Markt-Chancen bezieht. Da überrascht es wenig, dass die volksnahe "Karnevalsdose" von Lucia Rudolf den ersten Preis erhält, gefolgt von einem weiteren Entwurf der gleichen Studentin, der unter dem Titel "Nouvelleau" literarisch angehauchte Getränke in einer edel illustrierten Dose mit Sammlerwert anbietet.

Auch weit vorn in der Gunst der Juroren: Eine Prosecco-Aperol-Kombination zum Selbstmischen im Deoroller-Design, ein Vitamin-Getränk für Kinder mit Pokemon-Figuren nebst integriertem bunten Armband, eine Dose mit einer Sammelmarke im Öffnungsring sowie "Liqkiss", der Getränkebehälter mit einem Kussmund als Trink-Öffnung.

Wie ernst die Profis die Entwürfe der Studenten nehmen, zeigt sich schon daran, dass keiner der vorderen Preisträger in der Zeitung abgebildet werden darf - die Konkurrenz könnte ja klauen. Ob die Dose der Zukunft tatsächlich aus Trier kommt, ist aber noch nicht entschieden. Innovationen seien "immer gefragt", sagt Entwicklungsingenieur Berkefeld, aber gerade in Krisenzeiten seien Neuerungen "auch eine Kostenfrage".

Dieter Lintz

Extra

Kleine Dosenkunde Die Idee, Getränke in Dosen zu verkaufen, entstand in der Prohibitionszeit in den USA. In Deutschland wurden die ersten Getränkedosen um 1937 angeboten, setzten sich aber nicht durch, weil Metalle für die Kriegswaffen-Produktion gebraucht wurden. Ende der 50er Jahre wurde die Schwarzblech-Dose durch eine Aluminium-Variante ersetzt. Erst Anfang der 60er war die Dose durch das "Ring-pull"-Patent ohne Werkzeug zu öffnen. Heutzutage hat die klassische Dose hierzulande einen "Stay-on-Tab"-Verschluss, also einen Ring, der beim Öffnen mit der Dose verbunden bleibt. Die gängigsten Inhaltsmengen sind 0,33 und 0,5 Liter. Die eleganter wirkende, schlanke Version heißt "Sleek Can". Innovative Produkte, wie sie auch den Vorschlägen der Trierer Studenten zugrunde lagen, sind die wiederverschließbare "Freb Can", die "Piston Can" mit einem Trink-Kolben sowie die "Twin Can" mit zwei durch einen Ring getrennten Teil-Behältern, die es erlauben, ein Mix-Getränk frisch herzustellen.

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