Trierer Volkswirt Jörg Henzler: "Die Unsicherheit bleibt"

Trier · Die Aktienmärkte sind weltweit in Aufruhr. Das hängt aber nicht nur mit den Entwicklungen in Japan zusammen.

Die Angst ist an der Börse ein schlechter Berater. Auch jetzt, bei der schrecklichen Entwicklung in Japan, reagieren die Märkte überaus nervös. Mit dem Trierer Experten Professor Jörg Henzler sprach TV-Redakteurin Sabine Schwadorf.

Angesichts der Atomkatastrophe in Japan sind die Börsenkurse derzeit kaum zu halten. Warum reagieren die Märkte so panisch?

Jörg Henzler: Erstens waren die Märkte schon vorher angeschlagen. Viele Investoren haben verkauft, unabhängig davon, ob das Sinn macht oder nicht. Zweitens machen der hohe Ölpreis und die wackelige Konjunktur Aktien unattraktiver, weil Gewinne sinken. Der dritte und wichtigste Grund: Japan ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und ein entscheidender Spieler in der industriellen Wertschöpfungskette. Interessant ist: Die Aktien bewegen sich hoch und runter analog zu den Ausstößen der atomaren Strahlung. Die Unsicherheit hält die Aktienmärkte im Bann.

Vor allem bei den Energiewerten gab es massive Bewegungen.

Henzler: Alle alternativen Energie-Anbieter haben massiv gewonnen, traditionelle Energie-Anbieter verloren. Versorger wie RWE sind Gebietsmonopolisten und nun gezwungen, stärker in alternative Energien einzusteigen. Dann werden sie auch wieder besser bewertet als derzeit kleinere Solarwerte.

Gibt es eine weltweite Krise ähnlich der Finanzkrise?

Henzler: Der Beitrag der japanischen Wirtschaft zum globalen Wachstum ist gering. Wenn Japan allein in Rezession fällt, macht das nicht viel aus. Obwohl es die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt ist, wächst sie seit 20 Jahren kaum.

Wie ist das zu erklären: Der Yen bleibt angesichts des Crashs auf hohem Niveau, der Euro sackt ab.

Henzler: Japan ist einer der größten Sparer weltweit. Denn: Im Ausland gibt es höhere Zinsen. Dieses Geld wird jetzt zu Hause gebraucht. Die ausländische Währung wird verkauft, die einheimische gekauft, der Wert der ausländischen Währung sinkt, der des Yen steigt.

Und wenn es in Japan zum Super-Gau kommt?

Henzler: Dann sieht die Situation anders aus. Das bedeutet, dass die Produktion in Japan ausfällt, die Wertschöpfungskette ist unterbrochen, es gibt massive Auswirkungen auf Industriestaaten. sas

Jörg Henzler lehrt seit 1998 an der Fachhochschule Trier Volkswirtschaftslehre und Internationale Finanzmärkte. Der promovierte Volkswirtschaftler arbeitete, bevor er an die Trierer FH kam, unter anderem bei Banken in Frankfurt und hat berufsbedingt die Märkte ständig im Blick. sas

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