Um 16.51 Uhr bricht das Chaos aus

TRIER. Ein Jahr ist es her, dass in der Region für vier Stunden die Lichter ausgingen. Über eine halbe Million Menschen waren ohne Strom. Ein Rückblick auf den größten Blackout in Deutschland.

Donnerstag, 2. September, kurz vor 17 Uhr: In den Büros und Geschäften gehen die Lichter aus, Fahrstühle bleiben stecken, Autofahrer kommen nicht mehr aus den Parkhäusern, Ampeln fallen aus - um 16.51 Uhr vor einem Jahr bricht das Chaos aus. Stromausfall. Über eine halbe Million Menschen in der Region und in Luxemburg sind für über vier Stunden ohne Saft. Bis heute sind die Ursachen für den größten Blackout in Deutschland ungeklärt. Erst Sabotage, dann Kurzschluss

Schnell kommt nach dem heißen Spätsommertag des vergangenen Jahres der Verdacht auf, Sabotage sei der Grund. Zeugen wollen beobachtet haben, dass bei Merzig an der Überlandleitung, die Richtung Trier führt, manipuliert worden sei. Der Netzbetreiber RWE stellt Strafantrag, die zuständige Staatsanwaltschaft in Saarbrücken ermittelt. Doch im November werden die Ermittlungen eingestellt: Es gebe keine Hinweise auf strafrechtlich relevantes Verhalten, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Doch in der Essener Konzernzentrale mauert man weiter. Der Energiekonzern macht während der gesamten Zeit ohnehin keine gute Figur. Von Anfang an weist er die Verantwortung für das Desaster von sich, scheibchenweise gibt man bekannt, was sich am 2. September 2004 tatsächlich ereignet hat: Ein Kurzschluss in der 220 000-Volt-Leitung von Merzig nach Trier ist schuld für den Stromausfall. Doch die Ursache dafür bleibt RWE bis heute schuldig. Im Ende November vorgelegten 60-seitigen Abschlussbericht ist lediglich von höherer Gewalt die Rede. Der Kurzschluss allein hätte aber nicht das Chaos ausgelöst. Fast zeitgleich mit dem Ausfall der Überlandleitung fliegt in der Trafo-Station Trier-Quint eine Sicherung raus, Ursache: unbekannt. Kritiker werfen RWE später vor, veraltete Schutzschalter in den Stationen zu verwenden. Doch das Zusammentreffen merkwürdiger Zufälle ist damit nicht zu Ende gewesen. Weil an just diesem Tag das Umspannwerk in Niederstedem im Kreis Bitburg-Prüm wegen Reparaturarbeiten außer Betrieb ist, kann der Ausfall der Trierer Trafo-Station nicht aufgefangen werden. Jede einzelne der insgesamt 50 Umspannstationen in der Region muss wieder hochgefahren werden. In Luxemburg ist man auf den deutschen Stromlieferanten sauer. Mangelnde Information wird RWE von den Nachbarn vorgeworfen und man setze auf veraltete Technik. Vorwürfe, die aus Essen abgewiesen werden. Seitdem wird in Luxemburg diskutiert, sich verstärkt auf Strom aus Frankreich zu konzentrieren. RWE bezeichnet die Störung im Abschlussbericht als "unwahrscheinlich und selten". Allerdings will kein Verantwortlicher des Konzerns ausschließen, dass es bei Verquickung ähnlicher Zufälle wieder zu einem solchen Blackout kommen kann. Was aber die RWE-Kunden vollends verärgert: Weil dem Stromlieferer keine Fahrlässigkeit nachweisbar ist, weigert er sich, Regress zu leisten. Auf rund 760 000 Euro belaufen sich die Schadensersatzforderungen. Die Konsequenzen aus dem Mega-Blackout lassen sich schnell zusammenfassen: In einem Krisengespräch auf Landesebene einigt man sich, die Notfallpläne zu überarbeiten. In Niederstedem ist ein zweiter Trafo installiert worden - laut RWE eine länger geplante Maßnahme. Ansonsten hofft man einfach, dass es nicht wieder zu "unerklärlichen Zufällen" kommt wie vor einem Jahr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort