"Um unsere Gäste beneiden uns andere"

Trier · Weinbaupolitische Fragen behandelte eine Veranstaltung, zu der die Friedrich-Ebert Stiftung rheinland-pfälzische Winzer und Weinhändler nach Trier eingeladen hatte. Neben gebietstypischen Eigenheiten ging es um Verordnungen, Verbraucherschutz und Trends in der Weinwirtschaft.

Trier. Was noch vor einigen Jahren eine ganz normale Sache war, hat heute Seltenheitscharakter: Seite an Seite verfolgten Kurt Beck und seine Nachfolgerin Malu Dreyer die Gespräche auf dem Podium. Sie habe bei der Vorbereitung auf dieses Seminar eine ganze Menge über den Weinbau gelernt, räumte die amtierende rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin in ihrem Grußwort ein. Für ihren Vorgänger und heutigen Vorstand der Friedrich-Ebert-Stiftung war es dagegen eine Begegnung mit einer Veranstaltungsreihe, die ihn über Jahrzehnte hinweg begleitet hat, sagte Kurt Beck. Für ihn ist die Weinwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftsbereich, der von der Stiftung kompetent beraten und unterstützt werden muss.
Und dazu hatte der Veranstalter Spitzenkräfte aus Politik und Wirtschaft aufgeboten, die sich in Podiumsgesprächen eingehend mit Fachthemen auseinandersetzten. Von besonderem Interesse war eine Podiumsdiskussion zum Thema "Mehrwert: Wein und Tourismus", in deren Verlauf die amtierende Deutsche Weinkönigin Janina Huhn überzeugend ihre Moderationsqualitäten unter Beweis zu stellen wusste.
70 Prozent direkt vermarktet


Die Deutsche Weinkönigin Janina Huhn hatte sich als Gesprächspartner den früheren rheinland-pfälzischen Wirtschafts- und Weinbauminister Hendrik Hering eingeladen. Weitere Gäste waren Florian Lauer, Vorstand der Gebietsweinwerbung Moselwein, die Wein- und Kulturbotschafterin Mosel, Kirsten Pfitzer, sowie der Geschäftsführer der Rheinhessen-Touristik GmbH, Christian Halbig. Man könne die Situation des Tourismus in den Weinanbaugebieten auf einen einfachen Nenner bringen, eröffnete Janina Huhn das Gespräch: "Da wo Wein wächst, da ist es schön." Mehr als acht Millionen Menschen hätten im vergangenen Jahr in den Weinanbaugebieten Urlaub gemacht. Davon habe insbesondere das kleine Gebiet an der Ahr profitiert: "Die Winzer dort konnten dabei mehr als 70 Prozent ihrer Weine direkt vermarkten."
Ob sich dieses Modell auch auf die übrigen Gebiete im Land übertragen lasse? Für Florian Lauer keine Frage: "Der Weinbau an der Mosel ist ohne den Tourismus undenkbar." Im vergangenen Jahr hätten zwei Millionen Touristen ihren Urlaub an der Mosel verbracht. Rund 1500 der 4400 Winzer an der Mosel nutzen laut Lauer diese Chance und bieten neben Wein auch Übernachtungen und Gastronomie an.
In Rheinhessen beobachte man dieses Modell genau, sagte Christian Halbig, der in der Folge deutlich machte, dass in diesem Gebiet der Umbau vom Massenwein- hin zum Qualitätswein-Erzeuger noch in vollem Gange sei. Doch auch hier komme man inzwischen auf 1,5 Millionen Übernachtungen bei etwa 890 000 Gästen. Für die Zukunft setze man zudem auf eine noch engere Verzahnung mit der Kultur.
Das war das perfekte Stichwort für Kirsten Pfitzer, die an der Mosel eine Ausbildung als Wein- und Kulturbotschafterin absolvierte. Sie sieht einen wesentlichen Schwerpunkt in der Entlastung der Winzer: "Besonders in Zeiten, in denen die Weinbergarbeit ansteht, wird es für viele Betriebe eng. Wenn dann noch eine Gruppe kommt, ist die Not rasch groß."
Kritik als Ansporn

 Über Tourismus diskutieren Christian Halbig, Hendrik Hering, Janina Huhn, Kirsten Pfitzer und Florian Lauer (von links). TV-Foto: Rolf Lorig

Über Tourismus diskutieren Christian Halbig, Hendrik Hering, Janina Huhn, Kirsten Pfitzer und Florian Lauer (von links). TV-Foto: Rolf Lorig


Ob die Gastronomie an der Mosel denn ihre Konsequenz aus dem kritischen Beitrag der FAZ gezogen habe, in dem der Autor mehr Gastlichkeit und Originalität an der Mosel gefordert habe, wollte die Weinkönigin wissen. Für Florian Lauer keine Frage. Der Beitrag habe der Mosel mehr genutzt als geschadet.
Das sah Kirsten Pfitzer ebenso: Die Kritik sei berechtigt, wenn man auch nicht alle Restaurantbetriebe über einen Kamm ziehen dürfe. Doch seien viele der schwarzen Schafe wachgerüttelt worden.
Zufrieden mit der Arbeit der Wein- und Kulturbotschafterin zeigte sich Hendrik Hering, unter dessen Verantwortung diese Ausbildung eingeführt wurde. Ziel der Ausbildung sei es, dem Gast deutlich zu machen, dass Wein ein Kulturgut sei, das in einer Kulturlandschaft wachse. Dazu benötige man Menschen, die in dem Weinanbauland Nummer 1 über ein umfassendes Wissen in den Bereichen Kultur und Wein verfügen, sagte der frühere Minister.
Studien zufolge sei der in Rheinland-Pfalz urlaubende Tourist höher gebildet als in anderen Regionen Deutschlands und verfüge zudem über ein höheres Einkommen. "Das heißt, wir haben eine interessante Klientel, die sich für unser Bundesland interessiert und um die uns andere Länder beneiden."

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