Und noch eine Beule im Image

Berlin/Wolfsburg · Was ist los mit der deutschen Autoindustrie? Als hätte der Skandal um manipulierte VW-Diesel-Motoren nicht genügt, hagelt es jetzt auch noch Kartellvorwürfe.

Berlin/Wolfsburg (dpa) Haben die großen deutschen Autohersteller wissentlich ihre Kunden und ihre Zulieferer geschädigt? Bisher ist es zwar nur ein Kartellverdacht, doch es ist eine weitere Beule im Image der Autobauer. Belastete zuvor bereits der Skandal um millionenfach manipulierte Dieselmotoren des VW-Konzerns die Branche, sollen sich laut Magazin Spiegel seit Jahren VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler womöglich über Technik, Kosten und Zulieferer verständigt haben. Haben mögliche Absprachen Kunden oder Zulieferer geschädigt? Das muss erst bewiesen werden, zumal es Absprachen zu gemeinsamen Standards geben kann, von denen der Kunde profitiert. Denkbar wäre aber eine Reihe wettbewerbswidriger Absprachen, etwa Preisabsprachen zu Lasten von Zulieferern und Kunden, die entweder die Preise im Materialeinkauf niedrig oder Verkaufspreise bei den Händlern hoch halten sollten. Aus dem Spiegel-Bericht geht hervor, dass der technische Wettbewerb bei der Abgasreinigung behindert worden sein soll. Für Zulieferer stellt sich die Frage, ob sie nicht mehr Gewinn hätten erzielen können, um stärker investieren und neue Arbeitsplätze schaffen zu können - oder mehr Geld an die Aktionäre zu verteilen. Was bedeuten die Vorwürfe für die Anteilseigner? Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) bereitet sich auf Größeres vor: "Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, werden wir alle juristischen Register ziehen, um die Anteilseigner zu unterstützen", kündigte DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler an. Er sehe die Gefahr, dass die Aktionäre die Zeche zahlen müssten. Fest steht: Die deutschen Autowerte im Leitindex Dax gerieten spürbar unter Druck. Wann ist ein Kartell? Die Grenzen zwischen normaler Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und der Bildung eines verbotenen Kartells sind fließend. Das Spektrum reicht von wettbewerbsrechtlich unkritischer Arbeit in einem Verband, etwa wenn es um einen gemeinsamen Messeauftritt geht, bis zu verbotenen Preisabsprachen. Im Gesetz steht, dass alles verboten ist, was den Wettbewerb beschränkt. Erlaubt sind vor allem Absprachen über einheitliche Normen, die auch im Sinne der Verbraucher sind. Da kann es etwa um einheitliche Stecker für Ladekabel gehen. Niedersachsens Wirtschaftsminister - und VW-Aufsichtsratsmitglied - Olaf Lies sagte, Absprachen über Standardisierung werde jeder verstehen. Die Frage sei, ob Grenzen überschritten worden seien. "Der Kunde darf nicht der Leidtragende sein", sagte der SPD-Politiker. Wie kann man normale von verbotenen Absprachen abgrenzen? Das bleibt zunächst der Selbsteinschätzung der Unternehmen überlassen. In Zweifelsfällen kann das Kartellamt beratend tätig werden, oder ein auf Kartellrecht spezialisierter Anwalt prüft die Sache. Daimler führte laut Süddeutscher Zeitung 2011 Kartellrechts-Lehrgänge ein. In diesen haben Juristen der Belegschaft beigebracht, was erlaubt ist und was nicht. Wie geht es weiter? Jetzt dürften die europäischen Wettbewerbshüter am Zug sein - das erwartet zumindest die Bundesregierung: Laut Wirtschaftsministerium wird die EU-Kommission die Federführung bei der Aufklärung übernehmen. Das Bundeskartellamt hatte zuvor erklärt, kein offizielles Verfahren zum Thema zu führen. Es lägen aber "Informationen" zu möglichen Absprachen in technischen Fragen vor. Auch andernorts gibt es Klärungsbedarf: Volkswagen ruft für Mittwoch außerplanmäßig seine Aufsichtsräte zusammen - dem Vernehmen nach geht es um die Kartellvorwürfe. fragen und antworten zu kartellvorwürfen

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