"Unsere Werkstatt hat halt kein Dach"

Trier-Eitelsbach · Es gibt keinen Bereich, in dem die Region Trier so sehr in der nationalen und internationalen Klasse mitspielt wie den Weinbau. Topwinzer von Mosel, Saar und Ruwer sind dekoriert mit Preisen und Auszeichnungen. Die Fachwelt feiert den Riesling von der Mosel in höchsten Tönen. Der TV stellt die Besten in einer Serie vor.

Trier-Eitelsbach. Wenn Weingutbesitzer Christoph Tyrell Gäste empfängt, bittet er sie am liebsten auf die Terrasse des Weingutes mit direktem Blick auf seinen Weinberg und das Gut. Stolz zeigt er den Karthäuserhofberg - rund 19 Hektar Rebfläche, fast 17 davon in Steillage, bepflanzt mit Riesling (93 Prozent) und Weißburgunder (sieben Prozent).
Der Weinberg, der ausschließlich von Tyrell bewirtschaftet wird, ist urkundlich zum ersten Mal 1335 erwähnt.
Damals haben die Karthäusermönche hier ihre Weine angebaut, die Tradition ist im Weingut und Weinberg überall greifbar.
Die Familie Rautenstrauch-Tyrell führt den Familienbesitz seit 1811 und Christoph Tyrell ist Gutsherr in der sechsten Generation. So traditionsreich das Haus auch ist, seine Erfolge sind nicht von gestern. Der Winzer wurde 1997 vom Feinschmecker und 2005 vom Gault Millau zum "Winzer des Jahres" geehrt, bei zahlreichen Proben werden die Rieslingweine aus dem Ruwertal bestens bewertet.
Erst kürzlich haben 28 Experten für die Fachzeitschrift Capital deutsche Weißweine in eine Blindverkostung bewertet. "Das renommierte Weingut Karthäuserhof deklassierte in der Kategorie ‚Riesling Kabinett trocken\' gar die Konkurrenz, mit sensationellen 3,5 Prozent Vorsprung", heißt es in dem Magazin.
Großes Potenzial


Für Christoph Tyrell eine Bestätigung der harten Arbeit. An seiner Seite wirkt seit 2008 Christian Vogt als verantwortlicher Kellermeister. Dass der Übergang vom erfahrenen Kellermeister Ludwig Breiling, der über 40 Jahre lang im Karthäuserhof erfolgreich wirkte, auf seinen jungen Kollegen so gut und nahtlos gelang, hat viel mit Chemie zu tun. "Christian Vogt hat noch ein Jahr mit Ludwig Breiling zusammengearbeitet und so unseren Weinberg bestens kennengelernt. Die Zusammenarbeit hat einfach gestimmt und heute noch schaut Ludwig Breiling im Gut vorbei", erklärt Tyrell.
Der neue Kellermeister sieht denn auch in der besonderen Lage des Karthäuserhofberges eine große Aufgabe. "Die akribische Arbeit im Weinberg und im Keller ist selbstverständlich und bei jedem Weinberg gleich. Doch das große Potenzial des Karthäuserhofbergs ist eine Herausforderung", sagt der studierte Weinbetriebswirt aus Kinheim (Mittelmosel).
Geringer Ertrag 2010


Der neue Jahrgang vom Karthäuserhof hat von den Fachleuten schon viel Lob eingeheimst, doch 2010 wird sicher vielen Winzern als schwieriges Jahr in Erinnerung bleiben. "Der 2010er ist ein Jahrgang, der ein Alleinstellungsmerkmal verdient, der in seinem individuellen Facettenreichtum mit keinem seiner Vorgänger-Jahrgänge vergleichbar ist", schwärmt Tyrell. Doch leider haben die Wetterkapriolen den Ertrag ziemlich gemindert: Allenfalls 50 Prozent eines gewöhnlichen Jahrganges liegen abgefüllt in den Kellern. "Über den Preis kann man so etwas nicht regeln", erklärt der Gutsbesitzer. 1994 und 2005 wurden dem Weingut zuletzt die Erträge vollkommen verhagelt, doch Tyrell sieht das mit der für Winzer typischen Gelassenheit: "Unsere Werkstatt hat halt kein Dach."
Insgesamt sei die klimatische Entwicklung für die Rieslingweine von der Ruwer in den vergangenen Jahren sehr positiv. "Früher gab es drei oder vier gute Jahrgänge in einem Jahrzehnt, seit Mitte der 90er sorgt die Klimaerwärmung durchgängig für beste Vorgaben."
Vor allem im trockenen Bereich bieten Boden und Klima dem Kartäuserhofberg außergewöhnliche Vorteile, sagt Tyrell und nennt als Ergebnis etwa seine Karthäuserhof Spätlese Alte Reben, den Kabinett Schieferkristall oder seine trockenen Rieslinge aus der Lage Große Gewächse.
Doch zu einem allgemeinen Weintipp lässt sich Tyrell nicht überreden. "Jeder Weintrinker ist anders", sagt er. Auch darum baut der Winzer Weißburgunder an. "Die Rebsorte ist für uns der Steigbügelhalter für die Rieslingweine. Mit dem Weißburgunder wollen wir junge Leute an die säurehaltigeren Weine heranführen." Vor allem ist Tyrell wichtig, dass die Verbraucher erkennen, welchen Wert Gutsweine bieten. "Jedes Weingut ist eine Manufaktur, die Flasche, von Anfang bis zur Abfüllung, liegt in einer Hand." Ein Qualitätsanspruch, dem sich Christoph Tyrell verpflichtet fühlt. Die Weine vom Karthäuserhof sind in ihrer Art außergewöhnlich, was aber ihr Etikett angeht sogar einmalig auf der Welt. Die Riesling- und Weißburgunder-Weine tragen nur das sogenannte Halsschleifen-Etikett. Für diese einmalige und geschützte Auszeichnung der Flaschen, die zum Markenzeichen der Tyrellweine geworden ist, gibt es eine Anekdote: "Der Urgroßvater von Christoph Tyrell - dem heutigen Besitzer des Weingutes - traf sich regelmäßig heimlich im hinteren Teil des Gartens in einem Pavillon mit seinen besten Freunden zum fröhlichen Zechen. Seine Ehefrau sah dies gar nicht gern. Die Bediensteten stellten Weinflaschen in den angrenzenden kleinen Bach, um diese zu kühlen; mit dem Ergebnis, dass sich die Etiketten lösten. Um trotzdem zu wissen, was er trank, erfand der Urgroßvater das Halsschleifen-Etikett." Seit 2009 haben die Flaschen zudem ein Rückenetikett. "Damit ist das Halsschleifen-Etikett nicht mehr so mit Informationen überlastet und sieht wieder filigraner aus", erklärt Christoph Tyrell. Alle gesetzlich vorgeschriebenen Angaben sind nun auf dem Rückenetikett aufgelistet. hw

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