Wann sich Leistung wieder lohnt

Trier · Wer entsprechend seiner Leistung entlohnt wird, ist ein glücklicherer Arbeitnehmer. Dies scheint nicht nur logisch, sondern ist nun auch wissenschaftlich erforscht worden. Die Bestätigung für diese These liefert die Studie des Volkswirtschaftlers Uwe Jirjahn von der Universität Trier.

Trier. Wann sind die 153 000 beschäftigten Arbeitnehmer in der Region Trier wirklich glücklich und zufrieden? Eine Frage, mit der sich die Personalökonomik in der Volkswirtschaftslehre beschäftigt. Dahinter steckt nicht Gutmenschentum, sondern hierbei geht es um handfeste Beweise für eine Produktivitätssteigerung in Betrieben. "Die Entlohnung muss stimmen, die Atmosphäre im Betrieb angenehm und die Arbeitszeiten flexibel, aber berechenbar sein - das sind die Prioritäten von Arbeitnehmern", sagt der Trierer Volkswirtschaftler Uwe Jirjahn. Er hat auf der Grundlage des sogenannten sozio-ökonomischen Panels, einer großen repräsentativen Haushaltsbefragung in Deutschland, untersucht, wie sich Einstellung und Verhalten der Menschen ändert, wenn sie nicht nach Stunden, sondern nach Leistung entlohnt werden (siehe Zur Person). Die Fakten des Arbeitsmarktes: Es gibt Akkordlöhne an Werkbänken und Fließbändern, aber auch Prämien, Gewinn- und Kapitalbeteiligungen bei kleineren und mittleren Betrieben. Laut den aktuellen Zahlen werden allein in Westdeutschland mehr als 25 Prozent der Arbeitnehmer nach zusätzlicher Leistung beurteilt und auch finanziell entlohnt. In den USA sind es nur rund 20 Prozent und in Großbritannien gar 19 Prozent der Beschäftigten. Jirjahn hat nun herausgefunden: "Insbesondere bei überdurchschnittlich produktiven Mitarbeitern steigert eine Leistungsentlohnung die Zufriedenheit mit der Arbeit." Der Mitarbeiter ist also dann zufrieden, wenn seine Leistung anerkannt wird. Denn der eigene Antrieb zu mehr Leistung wird geradezu gefördert, wenn die Lohntüte praller gefüllt ist. Eine Erkenntnis, die Personalverantwortliche und Forscher der so genannten Personalwirtschaftslehre bislang häufig verneint haben. Arbeitnehmer entscheiden selbst

Jirjahn gibt jedoch zu bedenken: "Eine Leistungsentlohnung kann es nicht für alle Beschäftigten geben. Und: Sie darf nicht von oben kommen. Mitarbeiter müssen sich selbst einordnen können, ob sie leistungsfähiger sind als andere oder nicht." Deshalb ist die sogenannte "Selbst-Selektion" - der Arbeitnehmer entscheidet freiwillig, ob er einen Zeitlohnjob oder eine Leistungsentlohnung möchte - Grundvoraussetzung dafür, dass alle zufriedener sind. Natürlich ist dies graue Theorie, ein Modell. Und doch gibt es Untersuchungen bei Betrieben, die bescheinigen, dass die Theorie in der Praxis funktioniert und auch wann sie funktioniert: So hat ein großer Installateur von Reparatur-Autoglas in den USA seine Produktivität um 44 Prozent gesteigert, weil er Akkordlöhne für leichte Tätigkeiten eingeführt hat. "Grund war die Selbst-Selektion der produktiven Beschäftigten sowie eine erhöhte Anstrengung", erklärt Uwe Jirjahn. Die Folgen einer solchen Bezahlung: Durch die Selbsteinordnung ändert sich in Betrieben die Personalstruktur. Wenn das gewollt ist, kann sie sogar als Instrument zur Personalgewinnung eingesetzt werden. "Außerdem wird die Lohnungleichheit zunächst zunehmen", ist sich der Trierer Wissenschaftler sicher. Aber er relativiert auch: "Wenn die Beurteilung von Leistung fairen Standards folgt, die jeder nachvollziehen kann, werden diese Unterschiede auch akzeptiert." Abhängig ist ein Einsatz der Leistungsbezahlung auch von den Kosten für den Arbeitgeber. Jirjahn gibt jedoch zu bedenken: "Wer als Chef eine gute Leistung haben will, der muss dafür auch etwas zahlen."Meinung

Lob ist nie überflüssigManch einer wird angesichts der Studie von Professor Jirjahn sagen: alles graue Theorie. Die Realität sieht ganz anders aus. Entweder bekomme ich für gearbeitete Stunden auch mein Geld, oder der Chef sagt, für welche Arbeit ich mehr bekomme. Dass sich jemand selbst entscheiden kann, welche Leistungen er tatsächlich bereit und fähig ist zu leisten, das kommt in der Arbeitswelt wohl tatsächlich eher selten vor. Und doch zeigt die Studie eines: Durch Anerkennung steigt die Zufriedenheit und auch die Leistungsfähigkeit. Wer als Arbeitnehmer ständig das Gefühl hat, eine Personalnummer zu sein, dessen Arbeit als Selbstverständlichkeit hingenommen wird, der wird auf die Dauer zwar seinen Job machen, aber innerlich kündigen. Angesichts von Fachkräftemangel, Nachwuchssorgen und dem Druck, als Betrieb erfolgreich sowie profitabel arbeiten zu müssen, wird sich eine solche Betriebsatmosphäre nicht leisten können. Folglich sind nicht nur kreative Rekrutierungsinstrumente erforderlich, sondern auch Entlohnungsmodelle, die die Mitarbeiter motivieren. Denn nur wer zum Partner seines Chefs wird, wird Leistung bringen. s.schwadorf@volksfreund.deExtra

Tipps für Arbeitgeber Wer seinen Mitarbeitern Leistung abverlangt, muss gleichzeitig auch den Rahmen setzen. Uwe Jirjahns Rat an die Chefs: Transparenz: Engagement setze Informationen voraus, so dass sich Beschäftigte auch überdurchschnittlich einbringen könnten. Kritikfähigkeit: "Ich muss mich als Chef auch selbst reflektieren", sagt Jirjahn, sonst sei man nicht authentisch. Partizipative Strukturen: Mitarbeiter müssen sich an Entscheidungen beteiligen können. Selbstselektion: Unternehmer schaffen es so, besonders produktive Mitarbeiter zu rekrutieren und zu binden. Tipps für Arbeitnehmer Auch Beschäftigte haben Möglichkeiten, sich bei der Arbeitssuche auf Unternehmen zu konzentrieren, die die Voraussetzung für mehr Zufriedenheit im Job schaffen: Beteiligungsformen ausmachen: "Als Arbeitnehmer würde ich mir anschauen, ob es einen Betriebsrat in der Firma gibt", sagt Uwe Jirjahn. Der kann auf Augenhöhe mit der Geschäftsführung mitreden. Informationen einholen: Bei der Arbeitssuche sollte man "über seine Netzwerke Informationen einholen, etwa wie die Stimmung im Betrieb ist, wie hoch die Fluktuation ist", sagt der Professor. Selbst-Selektion: Gibt es eine Möglichkeit, sich entsprechend der eigenen Leistungsfähigkeit und Risikobereitschaft entlohnen zu lassen? Wenn ja, haben leistungsbereitere Beschäftigte mehr Möglichkeiten, zufriedener zu sein und gleichzeitig mehr zu verdienen. sas Extra

Uwe Jirjahn, Professor an der Universität Trier, ist Spezialist für Arbeitsmarktökonomie und einer der renommiertesten deutschen Volkswirte. Im "Handelsblatt-Ranking Volkswirtschaftslehre" von 2412 Volkswirten an 81 Universitäten rangiert der Trierer Wissenschaftler auf Rang 70. Die Platzierung des 48-Jährigen ergibt sich sowohl aus der Auswertung seiner Publikationen in mehr als 1250 Fachzeitschriften als auch aus dem Renommee der Fachjournale. Der promovierte Professor hat zuvor bereits an den Unis in Hannover und Duisburg-Essen gelehrt sowie in Norwegen und in den USA geforscht. Die Studie zur Leistungsentlohnung hat Jirjahn zusammen mit dem deutschen Wissenschaftler Thomas Cornelissen (London) und dem Amerikaner John S. Heywood (Wilwaukee-Wisconsin) geschrieben. sas

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