Wasser im Jubelwein der Regierungsparteien

Berlin · Die Wirtschaft ist stark, der Euro stabil. Das verkündet die CDU derzeit auf ihren Wahlplakaten. "Gut gemacht, Deutschland", frohlockt die FDP. Doch ganz entspricht der Jubelgesang nicht der ökonomischen Realität.

Berlin. Bei den kleineren Unternehmen ist die Stimmung durchwachsen. Das zeigt das gestern in Berlin präsentierte aktuelle Mittelstandsbarometer. So ist der Anteil jener Mittelständler, die ihre Geschäftslage als schlecht oder sehr schlecht bezeichnen, seit dem Vorjahr sprunghaft um acht auf 16 Prozent gewachsen. Und als gut bewerten nur noch 36 Prozent ihre laufenden Geschäfte, statt wie vor zwölf Monaten 53 Prozent. Niedriger war der Wert nur 2009, mitten in der Finanzkrise. Bangen um die Existenz

Besonders dramatisch: 18 Prozent der befragten 700 Mittelständler sehen ihre Firma derzeit in einer kritischen Situation, bangen also um die Existenz. Das waren vor einem Jahr nur vier Prozent. Nach Einschätzung der Unternehmensberatung Ernst&Young, die das Mittelstandsbarometer halbjährlich erstellen lässt, sprechen aus diesen Werten die Folgen der Euro-Krise und der aktuelle Konjunkturdelle. Da der Mittelstand das Rückgrat der deutschen Wirtschaft darstellt, ist die Stimmung dort nicht ganz unerheblich für die Regierungsparteien. So glaubt eine klare Mehrheit der Firmen nicht, dass die Euro-Krise schon überstanden ist. 59 Prozent erwarten, dass das dicke Ende noch kommt, 32 Prozent rechnen gar mit einem Auseinanderfallen der Währungsunion. Zu denken geben dürfte Angela Merkel und Philipp Rösler auch, was die kleinen und mittleren Unternehmer nun von der Politik erwarten. Steuerentlastungen oder eine Lockerung des Kündigungsschutzes rangieren ziemlich weit unten auf der Wunschliste. Forderung: Weniger Bürokratie

Ganz oben stehen der Bürokratieabbau, die Senkung der Lohnnebenkosten und die Steigerung öffentlicher Investitionen. Auch eine steuerliche Förderung von Forschungs- und Entwicklungsausgaben wird dringend gewünscht. Mehr getan werden muss auch gegen den Fachkräftemangel, der die Firmen schon jetzt jährlich rund 33 Milliarden Euro Umsatz kostet, so die Berater von Ernst&Young. Dass die Mittelständler bekunden, sich bei Investitionen zunächst eher zurückhalten zu wollen, führen die Verfasser der Studie auf die Unsicherheit wegen möglicher Steuererhöhungen zurück, die SPD und Grüne angekündigt haben. Wenn sich die Lage nach der Wahl geklärt habe, werde die Bremse sicher wieder gelockert werden. Gut vor allem für die Regierungsparteien ist allerdings, dass die Firmen durchaus optimistisch nach vorne blicken. So erwarten insbesondere Handel und Baubranche eine Besserung durch eine steigende Inlandsnachfrage. Die relativ hohen Tarifabschlüsse schlagen also nun auch positiv auf die Stimmung der kleinen und mittleren Unternehmer durch.Aufhellung erwartet

40 Prozent glauben, dass sich ihre Geschäftslage bis Jahresende besser entwickeln wird, 51 Prozent rechnen mit einem um durchschnittlich 1,6 Prozent steigenden Umsatz. Und 35 Prozent glauben, dass sich nicht nur ihre Lage, sondern auch die der ganzen Wirtschaft in Deutschland wieder aufhellt. Alle diese Werte liegen zum Teil deutlich über den noch im Januar ermittelten Zahlen. Aus Sicht des Mittelstands also müssten die Wahlslogans der Regierungsparteien statt "Gut gemacht" eher lauten: Wird schon wieder werden.Die komplette Studie auf de.ey.com

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