Weitaus besser als der Rest der Welt

Frankfurt · Osteuropas Börsen haben sich in diesem Jahr hervorragend entwickelt. Experten raten Investoren, auf einzelne Länder wie Russland oder die Türkei zu setzen.

Frankfurt. Es gibt ein Europa fernab der Schuldenkrise. Und das liegt im Osten. Jenseits von Oder und Neiße profitieren viele Länder von der starken Erholung nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, indem sie etwa ins konjunkturstarke Deutschland wieder mehr Waren und Dienstleistungen exportieren. Investoren können von dieser Entwicklung profitieren.
Wer zum Beispiel in den bekannten Osteuropa Aktienindex investiert hat - den MSCI Eastern Europe - hat damit in diesem Jahr bislang ein Plus von rund zehn Prozent gemacht. Die russischen Aktien sind die billigsten der Schwellenländer. Damit hat Osteuropa alle anderen Länder - auch die anderen Schwellenländer-Börsen klar abgehängt. Osteuropa-Aktienfonds sind denn auch die einzige Schwellenländer-Gruppe, in die Anleger in diesem Jahr netto neues Geld investiert haben.
"Großes Potenzial, aber deutliche Unterschiede in einzelnen Ländern", erkennen Länderexperten wie Marcus Svedberg, Chef-Volkswirt der schwedischen, auf Osteuropa spezialisierten Fondsgesellschaft East Capital in der Region.
Sein Favorit ist Russland. "Das Land verfügt über eine starke, stabile Wirtschaft und hat keine Schulden", sagt er. Viele Unternehmen profitierten vom Ölpreis. Die Firmengewinne wachsen vielfach um 20 Prozent im Jahr. Das Wirtschaftswachstum liegt nach der Krise wieder bei knapp fünf Prozent, die Inflation sinkt.
Auch politisch hält Svedberg das Gespann aus Präsident Dmitrij Medwedew und Regierungschef Wladimir Putin für stabil. "Für Anleger sind russische Aktien besonders attraktiv, weil sie extrem günstig sind", urteilt der Experte. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von sechs sei der Markt der billigste in den Schwellenländern.
Kritischer dagegen müsse die Türkei betrachtet werden: Die Politiker müssten es schaffen, die Wirtschaft abzubremsen, sonst gebe es Probleme. Aktuell hält Svedberg den Aktienmarkt mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von zehn aber für vernünftig bewertet. Für private Anleger ist die Region noch recht unübersichtlich.
Auch andere Länder mit wirtschaftlichem Nachholbedarf wie die Balkan-Staaten entwickelten sich gut, urteilen viele Experten. Die Länder erfüllten ihre Auflagen aus Unterstützungsprogrammen des Internationalen Währungsfonds. Vorbild für die anderen sind Länder aus der Region, die bereits eine eigene tragende Binnenwirtschaft entwickelt haben - wie Polen oder Ungarn. Im Durchschnitt wachsen die osteuropäischen Länder mit rund vier Prozent im Jahr, Russland und die Türkei sogar stärker.
Wer in Osteuropa anlegen will, sollte einen guten Fonds kaufen. Denn in der unübersichtlichen Region dürfte es den meisten privaten Anlegern schwerfallen, einzelne Aktien auszuwählen. Viele Osteuropa-Fondsmanager setzen dabei vor allem auf Russland und die Türkei. Von einem "regelrechten Trend", spricht Natalia Wolfstetter, Analystin beim Fondsratinghaus Morningstar. Die Gründe: Russland sei der liquideste Markt und habe die größte Markttiefe, erklärt sie. Die Türkei werde als aufstrebende Nation gesehen.
Vielen anderen kleineren Ländern wie Slowenien oder Kroatien fehlten Tiefe und Liquidität, weshalb vor allem größere Fonds dort kaum investieren könnten, sagt auch André Härtel, Analyst beim Fondsratinghaus Feri Eurorating. Länder wie Polen gelten dagegen als relativ teuer.
Extrem positiv über Russland urteilt Landsmännin Elena Shaftan, Fondsmanagerin beim britischen Spezialisten Jupiter. Der Ölpreisanstieg stärke nicht nur die Ölproduzenten im Land, sondern auch Staat und Binnenwirtschaft, meint die Russin. Shaftan fährt in ihrem Fonds Jupiter New Europe eine der extremsten Wetten auf ihr Land mit einem Anteil von drei Vierteln des Fondsvermögens.
Ebenfalls stark konzentriert wird der Nevsky Eastern European Fund des britischen Anbieters Traditional Funds gemanagt. "Seit Jahren erzielen die Fondsmanager mit pointierten Wetten auf rund 40 große Unternehmen ein überdurchschnittliches Ergebnis", sagt Härtel. Rund 60 Prozent des Vermögens sind in Russland investiert, unter anderem in Rohstofffirmen wie Gazprom, Lukoil, Norilsk Nickel oder in die Sberbank. Selbst breiter investierende Fonds wie der Convergence Aktien Fonds der Sparkassenfondsgesellschaft Deka halten einen hohen Russland- und Türkei-Anteil. Zu 70 Prozent stammen die bis zu 100 Titel im Fonds aus diesen Ländern.

Die Autorin arbeitet als Expertin für die Wirtschaftszeitung Handelsblatt.Grundsätzlich gilt die Regel: Anleger sollten niemals einen zu hohen Anteil ihres Kapitals auf eine einzelne Region setzen. Zudem warnt nicht nur Analystin Natalia Wolfstetter: "Die starken Ländergewichtungen machen die Anlagen zusätzlich sehr zyklisch." Deshalb mischen große Fondshäuser trotz aller positiven Wertentwicklungen Osteuropa nur bei: So hält die DWS (Fondsgesellschaft der Deutschen Bank-Gruppe) in ihrem weltweiten Fonds Osteuropa-Aktien "im mittleren einstelligen Prozentbereich". AR

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