Weltneuheit aus Trier

4800 Unternehmen aus 64 Ländern stellen seit Montag ihre Produkte bei der Hannover Messe aus. Das Trierer Unternehmen Kirsch könnte für Furore sorgen, denn die Firma zeigt eine Weltneuheit: ein Blockheizkraftwerk für Ein- und Zweifamilienhäuser, das gleichzeitig heizen und Strom erzeugen kann.

 Michael Wollscheid und Klaus Mies überprüfen gemeinsam mit Marcus Reger (von rechts) die neue Anlage am Bildschirm. TV-Foto: Heribert Waschbüsch

Michael Wollscheid und Klaus Mies überprüfen gemeinsam mit Marcus Reger (von rechts) die neue Anlage am Bildschirm. TV-Foto: Heribert Waschbüsch

Trier/Hannover. Rund zwei Jahre hat ein Team von 15 Ingenieuren bei der Trierer Firma Kirsch an der Entwicklung des kleinen Blockheizkraftwerkes (BHKW) als Partner der Leipziger Verbundnetz Gas AG getüftelt. Nun, rechtzeitig zur Hannover Messe, ist die Anlage fertig: Mit Maßen von etwa 1,3 Metern Höhe, rund 70 Zentimetern Breite und etwa 80 Zentimetern Tiefe hat das BHKW die Ausmaße eines kleinen Kühlschranks. Doch "die Heizung, die Strom erzeugen kann" (so ein geplanter Werbeslogan), hat es in sich. Das kleine Kraftwerk kann den Gesamtwärmebedarf eines Ein- bis Zweifamilienhauses mit 25 000 bis 30 000 Kilowattstunden (kWh) decken und gleichzeitig auch noch Strom erzeugen - das ganze System ist luftgekühlt und damit eine Weltneuheit. "Das Prinzip, Wärme- und Stromerzeugung in einem Gerät zusammenzuführen, spart dem Betreiber Energie und damit Kosten", erklärt Kirsch-Vertriebs-Chef Michael Wollscheid. Maßgeblich aber profitierten Verbraucher von der Möglichkeit, den erzeugten Strom selbst zu nutzen und die Überschüsse in das öffentliche Netz gegen Vergütung einzuspeisen. Schon nach vier bis fünf Jahren würde sich die Kombianlage im Vergleich zu einer normalen Heiztherme inklusive zehn Quadratmetern Solarfläche amortisieren.

Auf eine solche dezentrale Versorgung von Haushalten setzen die Experten große Hoffnungen. Sie könnte zur C0{-2}-Reduzierung beitragen und sogar die Energieversorgung revolutionieren.

Denn mit dem Kraftwerk namens "microBHKW L4.12" (vier kW elektrische sowie zwölf kW thermische Leistung), so die offizielle Bezeichnung, ist für Kirsch längst nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. "Als Nächstes wollen wir eine Anlage mit integrierten Notstromeigenschaften entwickeln und auch Anlagen, die mit Flüssiggas oder auch mit Heizöl laufen", gibt Geschäftsführer Klaus Mies einen Einblick in die weiteren Pläne.

Die Energie wird erzeugt, wo sie gebraucht wird



Vor allem bei den Stadtwerken Trier trifft die Entwicklung auf großes Interesse. Denn würden sich eventuell solche Anlagen im großen Stil zusammenschließen und den Strom je nach Bedarf einspeisen, können Stadtwerke darüber sogar ihren Strom, zum Beispiel in Spitzenzeiten, selbst an Ort und Stelle produzieren lassen. "Wir haben bei der Stromübertragung über die langen Stromleitungen Energieverluste von 30 bis 40 Prozent. Bei dezentralen Anlagen entfallen solche Verluste größtenteils, weil die Energie dort erzeugt wird, wo sie auch gebraucht wird", erklärt Michael Wollscheid.

Vor einigen Monaten sorgte Volkswagen mit einem ähnlichen Projekt deutschlandweit für Furore.

Während aber die VW-Pläne eher für größere Wohneinheiten (Mehrfamilienhäuser) ausgelegt sind, ist die Kirsch-Lösung vor allem für Ein- und Zweifamilienhäuser konzipiert.

Hans Weinreuter, Energie-Experte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz in Mainz, sieht die Entwicklung positiv. "Der Ansatz zur dezentralen Energieversorgung ist richtig, nun muss man sich anschauen, wie gut die Anlage funktioniert und wie wirtschaftlich sie ist", erklärt er dem TV.

Dabei spielt der Preis der Anlage eine wichtige Rolle, und die Produzenten hoffen, dass dieser für Furore sorgen kann. Offizielle Angaben gibt es nicht, doch die mit Erdgas betriebene Anlage soll rund um die Hälfte günstiger sein als bisherige BHKW in ähnlicher Größenordnung. Damit lägen die Kosten für ein solches Micro-BHKW unter 10 000 Euro. "Wir gehen jetzt in einen groß angelegten Feldversuch", erklärt Kirsch-Geschäftsführer Klaus Mies. Rund 140 Anlagen werden bundesweit in den Einsatz gehen, rund zehn Anlagen in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Trier auch in der Region. Verkaufsstart für das "microBHKW L4.12" ist nach dieser Phase im Frühjahr 2011.

Als mögliche Käufer hat das Unternehmen die Besitzer privater Heizanlagen im Visier. 300 000 bis 400 000 Heizungen müssen jährlich aus Altersgründen ersetzt werden. "Daran wollen wir einen Anteil von rund zehn Prozent", sagt Kirsch-Chef Klaus Mies.

Für die Ideenschmiede Kirsch, die vor allem Stromaggregate für Sondereinsätze (Elektrische Antriebssysteme und Notstromanlagen) produziert, könnte das BHKW einen Sprung in neue wirtschaftliche Entwicklungsfelder bedeuten. "1000 Geräte pro Jahr werden wir in Trier produzieren", erklärt Mies.

Zu den 140 Stellen könnten so zehn bis 15 neue Jobs dazukommen. In der Gruppe könnten es sogar bis zu 150 neue Jobs sein, denn bei Kirsch ist das Management überzeugt, dass man bis zu 30 000 BHKW pro Jahr an den Mann bringen kann.



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