Wenn Bosse die Schulbank drücken

TRIER. (hw/len/will) Das Präsidium des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) ist eine ausgeschlafene Truppe: Kurz nach 7 Uhr wurden die Mitglieder gestern abgeholt und in sieben regionale Schulen gebracht. Die Top-Unternehmer brachten Schülern so Wirtschaft näher. „Bosse in der Schule“, so der offizielle Titel der Unterrichtsstunde.

Schon kurz nach halb acht wird DIHK-Präsident Braun vom Leiter der Berufsbildenden Schule Wirtschaft Trier, Peter Hänold, ins Lehrerzimmer geführt. Gut eine halbe Stunde hat sich der Chef der „B. Braun Melsungen AG“ (30 000 Mitarbeiter) Zeit genommen, um mit den Lehrern über die Probleme auf dem Arbeitsmarkt zu diskutieren. Danach wartet die Jahrgangsstufe 12 der BBS. Braun sagt den Jugendlichen gleich, was die Wirtschaft erwartet: Computer- und gute Fremdsprachen-Kenntnisse (Englisch und Französisch) sowie Flexibilität. Es nütze wenig, sich auf einen Beruf zu versteifen, der keine Zukunft habe. „Auch das ist ein Teil des Wirtschaftens: Wo finde ich meinen Beruf mit Zukunft?“ Nur wenige hundert Meter weiter: Das Thema Global- und Außenwirtschaft steht auf dem Stundenplan, doch wichtiger ist den knapp 40 Schülerinnen der Jahrgangsstufe elf des Angela-Merici-Gymnasiums (AMG) der Werdegang und das Privatleben eines Unternehmers. Schließlich hat man nicht jeden Tag einen leibhaftigen Firmenboss zu Besuch.

Konsul Professor Hans Heinrich Driftmann, Gesellschafter der Kölln AG in Elmshorn und Vize-Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), steht ihnen an diesem Morgen Rede und Antwort. „Haben sie noch ein Privatleben?“, fragt eine der Schülerinnen den „Boss“. „Ich versuche immer, meine Familie an meinem Leben teil haben zu lassen und ihr Leben auch zu teilen“, antwortet Driftmann. Trotz einer 60-Stunden Woche fahre er morgens zwei seiner vier Töchter in die Schule. „Und ich versuche, mittags immer mit meiner Familie zu Mittag zu essen. Allerdings klappt das nicht immer“, sagt er. Dazwischen stehen Gespräche, Treffen der Geschäftsführung und die tägliche Post auf dem Plan. Nicht nur der Tagesablauf des Firmenchefs, sondern auch sein Werdegang interessiert die Mädchen. Die Frage nach dem Notendurchschnitt seines Abiturs lässt er allerdings unbeantwortet: „Ich war nicht einmal ein mittelprächtiger Schüler.“

Vielleicht auch ein Grund, warum der Vorsitzende des Berufsbildungsausschusses des DIHK bei Bewerbungen immer darauf achtet, „ob der Kandidat sich in Vereinen oder Organisationen engagiert. Die Note seines Abschlusses ist dabei zweitrangig.“ Wichtig sei es auch, vor der Berufswahl Praktika zu machen. Und die soziale Komponente. „Wenn man Karriere machen will, muss man in der Lage sein, mit Menschen umzugehen“, sagt Driftmann. Aber auch der nötige Einsatz dürfe nicht fehlen. „Die Wirtschaft erwartet Biss.“ „Ausbildung oder Studium?“, diskutiert Gerd Pieper den Schülern im Hindenburg-Gymnasium. Pieper ist Geschäftsführender Gesellschafter der Stadtparfümerie Gerhard Pieper mit 1000 Mitarbeitern und 120 Azubis. Studium oder erst Ausbildung? Für Pieper keine Frage: „Erst Ausbildung, dann Studium habe ich meinen beiden Söhnen geraten. Junge Leute müssen ein Gefühl dafür bekommen, wie Arbeit funktioniert.“ Bei einer Bewerbung nach dem Studium würde bei gleicher Qualifikation derjenige eingestellt, der auf eine Ausbildung verweisen könne. Eifrige Diskussionen gab es auch in der Pestalozzi-Hauptschule, in der Privatschule St. Maximin, in der Kurfürst-Balduin-Hauptschule sowie in der Hauptschule Ehrang. „Das war eine tolle Sache“, sagt Alexandra Lossjew, IHK Trier. Man werde weiter den Kontakt zwischen Schule und Wirtschaft fördern.

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