Wenn Dagobert Duck seinen Schrott verkauft

Trier · Die Region ist eine Hochburg des Schrotthandels. In den vergangenen Jahren hat das Finanzamt Trier der Branche auf den Zahn gefühlt. Das Ergebnis: In 166 Fällen ist ein Steuerschaden von 16 Millionen Euro entstanden.

Trier. Mehr als 300 Firmen in der Region sammeln gewerblich alte Öfen und Heizkörper, ausgediente Badewannen, Waschmaschinen, verrostete Gartenmöbel und sonstigen Schrott. Das Geschäft mit den ausgedienten Wertstoffen brummt. Und, da sind sich Experten einig, je höher der Schrottpreis ist, umso eher kommt es auch zu Verbrechen.
Der Verlockung auf schnelles Geld konnte wohl auch ein Trie rer Schrotthändler nicht widerstehen. Über Jahre hinweg hatte er dem Finanzamt falsche Rechnungen vorgelegt, unter 65 000 Belegen fanden die Fahnder über 4000 imaginäre Schreiben. Der Mann hatte sich einfach Namen aus dem Telefonbuch herausgesucht und diese mit fremden Adressen verknüpft. Diese Personen sollten dann an ihn Rechnungen gestellt haben. Unter anderem war auch der Name eines Saarbrücker Opernsängers dabei, mit falscher Anschrift und natürlich ohne dessen Kenntnis. Die falschen Forderungen führten dazu, dass der Gewinn des Schrotthändlers kleiner ausfiel und damit seine Steuerschuld sank. 1,5 Millionen Steuern zahlte der Unternehmer so unrechtmäßig weniger. Steuerschuld und Urkundenfälschung brachten ihm nun zwei Jahre und zehn Monate Gefängnisstrafe ein. Der Beschuldigte und die Staatsanwaltschaft haben auf weitere Rechtsmittel verzichtet.
Der Vorgang ist in Trier indes kein Einzelfall, wenn er auch von der Summe her einer der größten ist.
In den vergangenen fünf Jahren haben die Fahnder des Finanzamtes insgesamt 166 Fälle mit einem Steuerschaden von 16 Millionen Euro aufgeklärt. Die Masche ist oft gleich: Falsche Rechnungen minimieren die Gewinnsituation oder bei der Schrottabgabe haben die Sammler mit falschen Namen Geld kassiert. Hartnäckig hält sich dabei in der Branche die Geschichte von einem Schrotthändler, der seine Ladungen als Dagobert Duck abgeliefert haben soll. Ob wahr oder nicht, diese Form des Betrugs ist durch neue Regelungen fast ausgeschlossen. Schrotthändler müssen sich seit Januar 2011 bei der Abgabe von Altmetall ausweisen, Großhändler stellen Gutschriften nur noch bei Nachweis der Identität des Lieferanten aus. Zudem können Schrotthändler nicht mehr wie in der Vergangenheit Mehrwertsteuer abziehen. Für Industrieschrott, Altmetall und sonstige Abfallstoffe wurde bei Lieferung eine Umkehr der Steuerschuld eingeführt, die jetzt bei den wenigen Großhändlern liegt. Durch regelmäßige Kontrollen bei diesen Händlern könne weitgehend ausgeschlossen werden, dass Steuern beim Schrotthandel nicht abgeführt werden.
Der Chef des Finanzamtes Trier, Jürgen Kentenich, kann also in Sachen Schrotthändler fast schon Bilanz ziehen: "Bislang sind in den Schrottfällen sieben Gerichtsurteile ergangen und insgesamt 93 Monate an Freiheitsstrafen verhängt worden." Viele der kleineren Fälle wurden inzwischen gegen Auflagenzahlungen eingestellt, 38-mal wurde ein Strafbefehl erlassen, 18 Fälle mussten wegen ihrer Größenordnung an die Staatsanwaltschaft abgegeben und von dort zur Anklage gebracht werden.Extra

Der Handel mit Schrott ist weltweit ein großes Geschäft. Schrott ist inzwischen für die Produktion von Stahl so wichtig und wertvoll wie Eisenerz. Rund 40 Prozent des weltweit produzierten Stahls werden durch eingeschmolzenen Schrott erzeugt. In Europa ist der Anteil sogar noch höher und liegt bei etwa 56 Prozent. In Deutschland sammeln und sortieren schätzungsweise 7000 Betriebe gebrauchten Schrott ein. In der Region Trier sind es nach Schätzungen von Experten über 300 Betriebe. 2010 wurden durch die Firmen bundesweit etwa 23 Millionen Tonnen Schrott wiederverwertet, weltweit sind es jährlich etwa 530 Millionen Tonnen. Dabei sind die Preise für Schrott sprunghaft. Brummt die Weltkonjunktur, steigen die Preise. Vor allem China bedient sich auf dem europäischen Recyclingmarkt. Hohe Schrottpreise spiegeln sich laut Experten auch in Raubzügen: Material von Baustellen, aber auch Straßengullys und sogar Schienenstränge sind beliebtes Diebesgut. Aus Umweltgründen bietet das Recycling viele Vorteile: Für eine Tonne Stahl, die aus Schrott erzeugt wird, spart man bei der Produktion 1,5 Tonnen Eisenerz, 0,65 Tonnen Kohle, und eine Tonne CO{-2} wird vermieden. hw

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort