Wenn Mitarbeiter zu Managern werden

Trier · Das Handwerk in der Region blickt trotz Fachkräftemangels optimistisch in die Zukunft. Wie die Arbeit im 21. Jahrhundert aussehen könnte, war Thema bei der Vollversammlung der Handwerkskammer Trier. Die Kammer hat zudem den Dauner Landrat Heinz Onnertz und den ehemaligen Trierer Oberbürgermeister Helmut Schroer geehrt.

Trier. Handwerker werden immer gebraucht. So sieht das Ulrich Glischke, der einen Dachdeckerbetrieb in Trier führt. "Wir werden auch in der Zukunft nie ganz von Maschinen ersetzt werden können", ist er überzeugt. Für das kommende Jahr rechnet er mit einer positiven Auftragslage.
Viele Handwerker in der Region blicken ähnlich optimistisch in die Zukunft. Laut der Herbst-Konjunktur-Umfrage der Handwerkskammer (HWK) Trier bewerten 83 Prozent der befragten Betriebe ihre aktuelle Geschäftslage mit "gut" oder "befriedigend". HWK-Präsident Rudi Müller sagt: "Was die aktuelle Situation des Handwerks in der Region angeht, so ist die Konjunkturlage sehr robust."
350 Lehrstellen offen


Doch in der Zukunft warten auch Herausforderungen. Eine davon: der Fachkräftemangel. Zu spüren ist der jetzt schon. "Im laufenden Ausbildungsjahr sind 350 Lehrstellen offen", sagt Müller.
Eine Idee davon, wie Arbeit in zehn oder 20 Jahren aussehen könnte, gibt Dr. Hilmar Schneider in seinem Vortrag "Unternehmen im 21. Jahrhundert - Neue Mitarbeiter, neue Manager". Schneider ist Direktor des Bereichs Arbeitsmarktpolitik am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn. Das ist ein privates Wirtschaftsforschungsinstitut, das sowohl nationale als auch internationale Arbeitsmarktforschung betreibt.
"Welche Berufe es in der Zukunft geben wird, kann ich nicht vorhersagen", erklärt Schneider. "Aber ich kann grundsätzliche Trends aufzeigen." Ein solcher Trend: das neue Rollenverständnis des Arbeitnehmers. Dieser werde, so Schneider, mit immer mehr Verantwortung beladen. "Seit dem Beginn der industriellen Revolution haben wir Arbeitnehmer auf immer kleinere Arbeiten reduziert. Jetzt machen wir das Gegenteil. Der Arbeitnehmer wird quasi zum kleinen Unternehmer im Unternehmen." Wo aber die Grenzen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verschwimmen, würden auch die zwischen Arbeit und Freizeit, Arbeitsort und Wohnort unscharf. Das treffe viele Betroffene unvorbereitet. "Unbegrenzte Möglichkeiten erfordern selbst gesetzte Grenzen", sagt Schneider. "Sonst bekommt man die Quittung, und die heißt Burnout."
Außerdem seien die Märkte heute anspruchsvoller geworden. Schneider: "Das stellt neue Anforderungen an den Produktionsprozess, und die Ansprüche an ein Unternehmen verändern sich." Die Menschen benötigten in der Zukunft vor allem Verantwortungsbewusstsein.
Schüler unterrichten Mitschüler


In der dualen Ausbildung stehe deshalb selbstorganisiertes Lernen an erster Stelle, meint Schneider. "Das ist eine interessante Sache, die in den Berufsschulen ausprobiert wird: Schülern vermitteln ihren Mitschülern Wissen." Das Gegenteil hierzu sei jedoch das Bachelor/Master-System, wo in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Wissen "getankt" werden müsse. "So trainieren wir jungen Leuten Verantwortungsbewusstsein ab. Das ist die Bildungskatastrophe schlechthin", sagt Schneider.
Diese Aussage über die Hochschulen hat Herbert Tschickardt, der eine Zimmerei in Trier besitzt und Kreishandwerksmeister in Trier-Saarburg ist, bei dem Vortrag am meisten überrascht. "Auch dass der Arbeitnehmer plötzlich Unternehmer sein soll, bringt erst mal einen Zwiespalt mit sich", sagt er. Aber letztendlich könne man sich diesen Entwicklungen ja nicht verschließen. Tschickardt sagt: "Mein größtes Kapital ist nicht mein Geld, sondern das sind meine Mitarbeiter."
Extra

Bei ihrer Vollversammlung hat die Handwerkskammer zwei Menschen geehrt, die laut HWK-Präsident Rudi Müller "mit dem Handwerk lange eng verbunden" waren. Heinz Onnertz, Landrat des Kreises Vulkaneifel, hat die Ehrennadel in Gold sowie eine Ehrenurkunde erhalten. Der ehemalige Wirtschaftsdezernent und Oberbürgermeister Helmut Schroer ist mit dem Ehrenmeisterbrief ausgezeichnet worden. Von der Kreishandwerkerschaft Trier-Saarburg hat er außerdem einen goldenen Hammer verliehen bekommen. eib

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