Wenn Touristen vom Himmel fallen

LAUTZENHAUSEN. In diesem Jahr rechnet die Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH mit rund 3,5 Millionen Passagieren. Tendenz: weiter steigend. Doch nur 18 Prozent von ihnen kommen in die Hunsrück-Region, um dort Urlaub zu machen. Das EU-Projekt "Dart" soll die beiden Kreise Rhein-Hunsrück und Bernkastel-Wittlich fit für neue Gäste machen.

Sie fallen quasi vom Himmel: Reisende aus ganz Europa, die den ehemaligen US-Fliegerhorst Hahn als Station für ihren Urlaub nutzen. Doch von rund 3,5 Millionen geschätzten Passagieren für dieses Jahr kommen laut Untersuchungen der Universität Kaiserslautern nur 18 Prozent über den Hunsrück ins Land. Die Mehrheit reist von dort aus weg. Grund genug für Touristiker, Politiker und Hoteliers, nach Möglichkeiten zu suchen, die Region attraktiver zu machen.Gleiche Probleme und gleiche Chancen

"Der Erfolg des Hahns, mehr als 2300 Arbeitsplätze rund um den Flughafen geschaffen zu haben, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden", sagt Gabi Troeger-Weiß, Professorin für Regionalentwicklung an der Uni Kaiserslautern. Aber die Hunsrück-Region habe ein zu schwach ausgeprägtes Profil, das zudem noch zu lasch im Ausland beworben werde. Heißt: Wer als Urlauber über den Flughafen Hahn einreist, besucht überwiegend Bekannte und Verwandte oder ist fixiert auf größere Städte wie Frankfurt und Köln. Es besteht also Nachholbedarf vor Ort. Das Projekt "Dart" (Developing Active Regions and Sustainable Tourism) des EU-Programms Interreg IIIB setzt genau dort an. Es will mit einem Etat von 1,5 Millionen Euro bis 2006 die Wettbewerbsfähigkeit in Tourismus-Regionen stärken und auf Kooperationen zwischen Regionalflughäfen bauen. Denn die vier Muster-Regionen - der Kreis Bernkastel-Wittlich, der Kreis Rhein-Hunsrück, das irische County North and East Cork sowie die Region South Ayrshire in Schottland - verzeichnen ähnliche Entwicklungen: Alle besitzen einen teils ehemals militärisch genutzten Regionalflughafen und profitieren seit einigen Jahren vom Boom der Billigflieger, insbesondere von Ryanair. Doch haben alle die daraus entstandenen Chancen für den Tourismus in ihrer Region bislang kaum genutzt. "Wir haben die gleichen Probleme, aber auch die gleichen Chancen", sagt Bertram Fleck, Landrat des Rhein-Hunsrück-Kreises, anlässlich einer "Dart"-Tagung auf dem Hahn. Noch vor wenigen Jahren habe man das Ziel, eine Million Passagiere im Hunsrück abzufertigen, als kühne Vision bezeichnet. Diese sei jedoch seit langem Wirklichkeit geworden und gar übertroffen worden. Nun gelte es, die Gäste "in den Quellenmärkten", also in Italien, Spanien, England, Schottland und Schweden zu umwerben, um die Schönheit von Mosel, Nahe, Hunsrück und Rhein kennen zu lernen. Eine Werbung, die scheinbar bislang wenig oder zu unkoordiniert abgelaufen ist. "Unsere Gastronomen bekommen nichts geschenkt. Sie müssen sich immer wieder anstrengen, etwas gemeinsam zu unternehmen", nennt Klaus Gewehr, Bürgermeister von Sohren (Rhein-Hunsrück-Kreis), ein Beispiel. "Eine Vermarktung muss glaubhafter sein", wünscht sich Flughafen-Hahn-Geschäftsführer Stefano Wulf. Es vereinfache auch Verhandlungen mit anderen Fluggesellschaften, wenn es konkrete Angebote aus den Tourismus-Betrieben gäbe. "Der Markt wird weiter wachsen"

Hotelier Matthias Ganter aus Traben-Trarbach, der als einer der ersten gezielt um Hahn-Gäste geworben hat, ist überzeugt: "Wenn wir uns in der Region nicht um unsere Gäste kümmern, tun es andere Regionen." Der Flughafen Frankfurt-Hahn biete eine riesige Chance, sagt er. Schließlich boomen Billigflüge, die Zahl der Urlaube je Einwohner steigt, die Kapazitäten auf den Großflughäfen sind erschöpft. "Ein Flughafen ist ein Standortvorteil", sagt Wissenschaftlerin Troeger-Weiß, allerdings gebe es negative Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Gefahr der Abhängigkeit von einer Billig-Fluggesellschaft. Doch das relativiert Wirtschaftsstaatssekretär Walter Strutz für den Hahn: "Wir sind der Überzeugung, der Markt ist weiter wachsend." Das Land Rheinland-Pfalz habe über seinen Anteil von 17,5 Prozent an der Flughafen-Gesellschaft in den vergangenen zehn Jahren mit rund 100 Millionen Euro für den Auf- und Ausbau des Hunsrückflughafens seinen Beitrag geleistet. Eine Unterstützung, der die EU-Kommission jetzt grünes Licht gegeben hat. Denn Regionalflughäfen dürfen durch finanzielle Anreize und Beihilfen aufgepäppelt werden - mit bis zu 50 Prozent für die Eröffnung neuer Strecken oder fürs Marketing.

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