Industrie Der Sprung ins digitale Zeitalter

Kell am See · Der Maschinenbauer für Pulverpresssysteme in Kell am See, Komage, baut Sondermaschinen für seine Kunden. Mit Hilfe des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Kaiserslautern hat Komage die Zukunft auf Digitalisierung und bessere Abstimmung ausgerichtet.

 So sieht dann eine fertige Presse von Komage aus, Jörg Schömer ist für die Montage verantwortlich.

So sieht dann eine fertige Presse von Komage aus, Jörg Schömer ist für die Montage verantwortlich.

Foto: Komage/alexander sell/alexander sell www.alexandersel

Wenn Sie sich heute morgen im Bad ihr Gesicht gewaschen und die Zähne geputzt haben, so werden auch Sie ein Produkt genutzt haben, das wohl mit einer von Komage aus Kell am See produzierten Maschine hergestellt worden ist. Denn das regionale Unternehmen konstruiert und baut Pressen für alle möglichen Werkstoffe von der Keramik über Graphit bis hin zu Pulvermetall. Und die meisten Wasserhähne regulieren ihre Warm- und Kaltwasserzufuhr mit einem Keramik-Dichtschutz, der in Form gepresst wurde.

Komage ist ein Sondermaschinenbauer, der für Detailkeramik, Industriekeramik, Hartmetall und Schleifmittel Pressen herstellt, die international von den USA und Brasilien über Israel bis hin nach Indien und China ausgeliefert werden. Meist wird nur eine Maschine auf speziellen Wunsch des Kunden gebaut. „Der Kunde kommt zu uns und sagt, was er benötigt“, sagt Maximilian May, Projektleiter und Mitarbeiter der Konstruktionsabteilung. Damit habe das Unternehmen eine Nischenstellung und die Mitarbeiter viel Erfahrung bei der Entwicklung innovativer Lösungen.

Als die Komage vor gut 110 Jahren gegründet wird, da liegt der Hauptabsatzmarkt noch in Deutschland, das Produkt sind Maschinen zur Arzneimittelherstellung (siehe Info). Heute sind die Welt und ihre Kunden der Gradmesser für den Mittelständler im Hochwald. Und mit dem Wandel der Zeiten hat sich auch das Arbeiten bei Komage verändert – hin zu individuellen Aufträgen, zu speziellen Anforderungen, zu mehr Verflechtung innerhalb des Unternehmens und zu mehr Digitalität. „Wir haben viel moderne Software im Unternehmen, aber überwiegend Insellösungen für die verschiedenen Abteilungen“, sagt Projektleiter Maximilian Lehnen. „Folglich brauchen wir mehr Schnittstellen in einem einzigen System, um den Informationsaustausch zwischen allen zu erleichtern.“ Was Lehnen schildert, trifft derzeit auf viele kleine und mittelständische Betriebe zu. Vor Jahrzehnten gegründet und über die Jahre hinweg stetig gewachsen bis hin zum Global Player mit 90 Mitarbeitern wie bei Komage, sind viele Abteilungen in sich selbst gewachsen, aber selten als Ganzes untereinander und miteinander verzahnt. Doch dafür gibt es Hilfe und Unterstützung, etwa vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum in Kaiserslautern. Im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unterstützt es als Teil des Programms Mittelstand-Digital kostenfrei in kleinen und mittleren Unternehmen sowie im Handwerk die Betriebe bei der Digitalisierung.

„Die Verbindung der IT-Schnittstellen verschiedener Abteilungen gehört zu den Herausforderungen vieler mittelständischer Unternehmen“, sagt Projektkoordinatorin Sabine Klein vom Kompetenzzentrum Kaiserslautern. Folglich hat sich Komage mit selbigem Anliegen auf Tipp der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier an das Kompetenzzentrum gewandt und ein einheitliches System aufgebaut, in das alle Abteilungen des Unternehmens integriert werden sollen. „Die Projektbegleitung mit Komage hat gezeigt, dass es sich lohnt, diesen Schritt Richtung digitale Transformation zu gehen“, sagt Klein.

Im Zentrum stehen dabei zwei Dinge: ein sogenanntes ERP-Programm, das für Enterprise-Resource-Planning steht, und ein Product Lifecycle Management. Während das erstere dazu dient, alle Ressourcen des Unternehmens vom Personal über Material bis hin zur Kommunikationstechnik zu vereinen, werden bei Komage auch gleichzeitig alle konstruierten und gebauten Maschinen in eine Art digitales Archiv überführt. „Wir möchten das Wissen im Unternehmen sichern und eine bessere Übersicht über den aktuellen Stand der Aufträge erhalten. Dadurch werden wiederum die Mitarbeiter im Alltag entlastet“, sagt Margit Gellner-May, Firmenchefin in der vierten Generation.

Denn so wie einst ihr Großvater den Wohlstand der Region im Blick hatte, so steht auch für die Enkelin fest: „Wir müssen zwar alle unsere Leistung bringen, aber der Mensch steht im Mittelpunkt, ob als Kunde oder Mitarbeiter“, sagt sie. Bei dem Digitalisierungsprojekt wurden demnach alle Mitarbeiter in sechs Workshops miteinbezogen, um festzustellen, welchen einzelnen Bedarf bei einer besseren Abstimmung vonnöten ist.

Das Kompetenzzentrum in Kaiserslautern hat dabei das Unternehmen über ein halbes Jahr begleitet und Tipps für die Handhabung der neuen Programme gegeben. „Die Kundenwünsche werden immer spezieller und individueller. Gleichzeitig wollen wir unseren Service verbessern. Somit ist es für uns ganz wichtig, dass wir in Echtzeit wissen, wie wir eine Produktion planen, welche Materialien wir ordern müssen, wie wir die Maschine lagern und an welchem Punkt wir in der Produktion stehen“, sagt Nicolas Hemmer, Prokurist und Bereichsleiter Entwicklung und Automation. Ab Herbst wird das neue ERP-Programm nun umgesetzt, bis alles aufeinander abgestimmt ist, rechnet das Unternehmen mit einer Umstellungszeit von immerhin zehn Jahren.

Denn ob mechanische, hydraulische oder elektrische Pulverpresssysteme, ob 5 oder 1200 Tonnen Druckkraft, ob Automobilindustrie, Pharma, Elektroindustrie oder Luft- und Raumfahrt: „Jeder Einzelauftrag ist maßgeschneidert“, sagt Hemmer.

 Achim Wagner ist bei der Komage in Kell für die Konstruktion der Hydraulik in den Pressen verantwortlich.

Achim Wagner ist bei der Komage in Kell für die Konstruktion der Hydraulik in den Pressen verantwortlich.

Foto: Komage/alexander sell/alexander sell www.alexandersel
 Macher Menschen Märkte

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Foto: TV/Schramm, Johannes

Und die Maschine langlebig. So kommt es vor, dass ein Kunde einer mechanischen Presse nach 60 Jahren erneut vorspricht und eine Aufrüstung anfordert. „Wir haben langfristige Kundenbeziehungen. Da ist es wichtig, passgenau eine Lösung anzubieten“, sagt Margit Gellner-May. Wichtig für sie: „Für diese Beziehungen brauchen unsere Mitarbeiter Freiraum. Inzwischen haben sie die Notwendigkeit der Digitalisierung gesehen, weil die mehr Freiraum schafft. Wir sind unserem langfristigen Ziel damit näher gekommen – nämlich papierlos in Produktion und Verwaltung zu werden.“

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