Landwirtschaft Was bietet der „Agrarfrieden“ den Bauern in der Region?

Berlin/Koblenz · Proteste gegen Riesenställe, Bauernfrust über Auflagen, Billigfleisch im Supermarkt: Der Kurs der Landwirtschaft ist heiß umkämpft. Nun gibt es plötzlich eine Verständigung – doch was kann daraus werden? Und was sagen Bauern in der Region dazu?

Wie geht es mit der deutschen Landwirtschaft nun weiter?
Foto: dpa/Sina Schuldt

Nach jahrelangen Auseinandersetzungen ist ein breiter Konsens für einen Umbau der Landwirtschaft hin zu mehr Umwelt- und Tierschutz da – die Umsetzung wird aber Sache der neuen Regierung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm am Dienstag Empfehlungen einer Expertenkommission entgegen, der Vertreter von Ernährungsbranche und Bauern, Natur- und Verbraucherschützern, Handel und Wissenschaft angehörten. Die einstimmig gefassten Vorschläge zeigten „mögliche Wege für die Landwirtschaft der Zukunft“ auf, sagte Merkel. Dafür hoffen die Beteiligten, jetzt bleibende Pflöcke eingeschlagen zu haben. Folgen haben soll das auch für Billigpreise im Supermarkt.

Dass die Empfehlungen kurz vor der Bundestagswahl in ein politisches Vakuum fallen, ist aber auch allen klar. Konkret geht es um nicht weniger als einen weitreichenden Umbau des Agrar- und Ernährungssystems als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Die Kommission empfiehlt als Grundsatz eine Steigerung der positiven und eine Verringerung negativer Effekte der Lebensmittelherstellung, wie der Vorsitzende Peter Strohschneider sagte. Und die notwendige Transformation werde auch mehr kosten, als in öffentlichen Haushalten national und europäisch bisher vorgesehen sei. Geschätzt dürften sieben Milliarden bis elf Milliarden Euro an Zusatzkosten pro Jahr fällig werden, heißt es im Bericht: etwa für mehr Ökolandbau, einen teilweisen Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, zum Umbau von Ställen.

Neben einer schrittweisen Bindung der europäischen Agrarmilliarden an Umweltvorgaben rückt dabei auch der Verbraucheralltag in den Blick. Die Mehrkosten einer bei Ökologie und Tierwohl leistungsfähigeren Landwirtschaft müssten zu einem Teil auf den Märkten erwirtschaftet werden. „Das geht nur, wenn die Lebensmittelpreise die tatsächlichen Produktionskosten wieder besser abbilden.“ Wettbewerb um Qualität müsse im Vergleich zum bloßen Mengenwettbewerb wichtiger werden. Das zielt auch auf den Dauer-Preiskampf mit Billigangeboten etwa von Fleisch.

Wenn Lebensmittel teurer werden, sei dies für Einkommensschwache aber sozial zu flankieren, etwa durch höhere Sätze für Ernährung bei Sozialleistungen, so die Kommission. Nötig seien auch verständliche Kennzeichnungen, die auf EU-Ebene verbindlich eingeführt werden sollten: für Fleisch aus besserer Tierhaltung, für die Herkunft der Zutaten in verarbeiteten Produkten, zu Mindeststandards für Regionalität sowie zum Gehalt an Fett oder Zucker - wie bei dem auf freiwilliger Basis eingeführten farbigen Nährwertlogo Nutri-Score. Gefördert werden sollten außerdem „nachhaltige“, sprich stärker pflanzlich orientierte Ernährungsstile mit weniger Fleisch – auch durch Vorbild in Mensen und Kantinen.

Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) betonte, der Wandel müsse eine sichere Zukunft für Landwirte garantieren. „Wir alle müssen essen und trinken.“ Dies bedeute aber auch, dass in der nächsten Wahlperiode im Haushalt mehr Mittel dafür bereitstehen müssten, sagte Klöckner.

Michael Horper (Ütfeld/Eifelkreis Bitburg-Prüm), Präsident des Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau in Koblenz sieht dies als große Chance und als wichtiges Zeichen für ein unverzichtbares Miteinander von Ökonomie und Ökologie, von Erzeugern und Verbrauchern sowie von Landwirtschafts- und Umweltverbänden. „Wir müssen aktiv und offensiv nach vorne gehen und bauen dabei auf die im Rahmen der Zukunftskommission Landwirtschaft von allen Beteiligten gegebenen Zusagen. Ich hoffe sehr, dass die ,ideologischen Verbotspolitiker’ nicht in ihre altbekannten Lagerkämpfe zurückfallen.“

(dpa)
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