Winzerin des Jahres freut sich auf den 2011er

Trier/Morscheid · 2010 war für die Winzer von der Mosel kein einfaches Jahr. Gute Qualität, wenig Ertrag und ein Jahrgang, der durch seine hohe Säure den Kellermeistern alles an Kunst abverlangte. Annegret Reh-Gartner, die das Weingut Reichsgraf von Kesselstatt führt, ist mit ihrem Team erfolgreich: Das DinersClub Magazin ernannte sie zur Winzerin des Jahres.

Trier/Morscheid. Schloss Marienlay schmiegt sich wie ein kleines verwunschenes Märchenschloss an die Hänge des Ruwertals bei Morscheid (Kreis Trier-Saarburg). Das Weingut zeigt schon bei der Anfahrt: Hier ist jemand mit viel Liebe zum Detail bei der Sache. Herrin über die historischen Mauern und die Vielzahl von außergewöhnlichen Weinen ist Annegret Reh-Gartner.
Das Weingut Reichsgraf von Kesselstatt wartet zudem mit einer Rarität an der Mosel auf, denn das Gut besitzt Weinberge an Mosel, Saar und Ruwer.
"Das ist für uns eine sehr schöne Situation, weil wir an allen drei Flüssen Spitzenlagen führen", sagt Annegret Reh-Gartner. Andererseits sei dies auch eine unternehmerische Herausforderung. Die 38 Hektar des Weingutes liegen viele Kilometer auseinander, das ist personalintensiv, und das Gut benötigt auch einen entsprechenden Maschinenpark.
Die Weine von der Mosel wie Josephshöfer, Bernkasteler Doktor, Brauneberger Juffer-Sonnenuhr, Graacher Domprobst oder Wehlener Sonnenuhr sowie von der Saar Scharzhofberger, Wiltinger Gottesfuß, Ockfener Bockstein und die Ruwer-Reben aus dem Kaseler Nies\'chen oder Kaseler Kehrnagel werden alle in Schloss Marienlay ausgebaut.
Freudige Herausforderung


Für Kellermeister Wolfgang Mertes eher eine freudige Her ausforderung als eine große Last. "Es ist unendlich interessant, denn jedes Jahr hat eine andere Lage die Nase vorn, entwickelt unterschiedliche Nuancen", freut sich Mertes über seine anspruchsvolle Arbeit. Schließlich pflegt das Weingut eine lange Tradition: Die Ursprünge gehen auf das Jahr 1349 und das Rittergeschlecht von Kesselstatt zurück. Zahlreiche historische Quellen belegen die hohe Bedeutung des Weingutes, das zwischen 1854 und 1889 im Rahmen der Säkularisierung um den Josephshof in Graach, den Domklausenhof in Piesport, den Abteihof in Oberemmel sowie den St. Irminenhof in Kasel erweitert wurde. 1978 erwarb der Vater von Annegret Reh-Gartner, Günther Reh, das Gut und baute Schloss Marienlay um und aus. Seit 1999 ist Marienlay Sitz des Weingutes. Zuvor war es das Palais Kesselstatt in Trier, neben dem sich heute die Weinstube Kesselstatt befindet.
Im Keller von Schloss Marienlay lagern zahlreiche 1000 bis 5000 Liter fassende Edelstahltanks, in denen jetzt schon 2011er Gewächse heranreifen. "Ich bin absolut begeistert", erklärt die Kesselstatt-Chefin beim Gang durch den Weinkeller.
Wer Gelegenheit hat, jetzt am 2011er zu naschen, trifft auf einen Jahrgang, der bereits gut entwickelt und sehr zugänglich ist.
Bei Reichsgraf von Kesselstatt herrscht große Vorfreude auf die neuen Weine. Schon deshalb, weil der 2010er Kellermeister Wolfgang Mertes zwar gut geglückt ist, aber von der Quantität doch weniger als die Hälfte eines normalen Weinjahres brachte.
Dennoch möchte man beim 2011er keine Hast aufkommen lassen. "Wir füllen die Weine auf die Flasche, wenn es der Kellermeister für richtig hält", sagt Annegret Reh-Gartner, die beim 2011er ähnliche Klasse sieht wie bei den Jahrhundertjahrgängen 1911, 1921 oder 1953. "Was wir bisher sehen, schmecken und riechen, ist absolut außergewöhnlich", schwärmt die Expertin. Dies will einiges bedeuten, denn bereits seit ihr Vater 1978 das Weingut übernahm, ist Annegret Reh-Gartner im Geschäft, kennt Höhen und Tiefen des Weingutsbetriebs und ist vielfach von der Fachpresse ausgezeichnet worden.
Seit mehr als 20 Jahren hat sie zudem in ihrem Ehemann Gerhard Gartner in Sachen Weinsachverstand einen ebenbürtigen Partner. Mehr als zehn Jahre gehörte er mit seinem Restaurant Gala in Aachen (zwei Michelin-Sterne) zu den Besten seiner Zunft. Nachdem er sich von der Gourmet-Bühne verabschiedet hat, unterstützt er seine Frau.
300 000 Flaschen 2011er


Rund 300 000 Flaschen wird das Gut Reichsgraf von Kesselstatt in den kommenden Monaten abfüllen können, 2010 waren es etwa 150 000 Flaschen.
Zu den wichtigsten Lagen des Weingutes gehört an der Mosel der Josephshöfer. Rund 3,8 Hektar Rebfläche bewirtschaftet das Unternehmen dort. Kesselstatt hat den Weinberg im Alleinbesitz, was seine Exklusivität steigert. 6,5 Hektar gehören an der Saar im Scharzhofberg zum Weingut, 4,5 Hektar sind es in der Piesporter Lage Goldtröpfchen und im Kaseler Nies\'chen 4,4 Hektar an der Ruwer.
Und wie Eltern all ihre Kinder loben, so schwärmt auch Annegret Reh-Gartner von den vielen Lagen des Guts. Doch spricht man sie auf die Ruwer an, so kann sie ein Lächeln nicht verbergen. "Die Ruwerweine sind etwas ganz Besonderes, was allerdings vielen Käufern in der ganzen Welt nicht immer so bekannt ist", bedauert sie ein wenig. Mineralität und Spannung des Terroir sowie das Zusammenspiel von Frucht und Säure verleihen diesen Weinen einen unverwechselbaren Charakter.
Im Portfolio des Kesselstatt-Sortiments dominieren die trockenen Weine. Etwa die Hälfte wird trocken ausgebaut, etwa 30 Prozent im halbtrockenen und feinherben Bereich und 20 Prozent im restsüßen Bereich.
Der Weinführer Gault Millau von 2012 lobt etwa: "Ein besonderes Augenmerk des Hauses gilt dem Ausbau trockener Spitzenweine, großer Gewächse, und diese sind 2010 exzellent ausgefallen."
Trockene Weine weltweit gefragt


Nicht ohne Grund sind die trockenen Weine für das Gut wichtig. "Es gibt weltweit viele Kunden, die trockene Weine lieben. Und wir glauben auch, dass wir viele Weintrinker, die derzeit eher wenig Riesling trinken, über die trockenen zu den halbtrockenen und restsüßen Weine von Mosel, Saar und Ruwer heranführen", erklärt Reh-Gartner. "Mit Speck fängt man Mäuse", sagt sie schelmisch lachend, wohl wissend, dass fruchtsüße Prädikatsweine jeden Weinliebhaber fesseln können, wenn er sie erst einmal versucht hat.
Annegret Reh-Gartner versucht, diese Botschaft in die Welt zu tragen, auch auf die weltberühmte New York Wine Experience (NYWE), zu der nur die weltweit besten Weingüter von dem bekannten Weinmagazin Winespectators eingeladen werden.
Rund 30 Prozent ihres Umsatzes erwirtschaftet sie im Exportgeschäft - vor allem in den USA und Großbritannien, zunehmend auch in Asien - doch der Hauptmarkt für das Gut Reichsgraf von Kesselstatt ist immer noch Deutschland.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort