"Wir hängen absolut in der Luft"

Trier · Die Verhandlungen über den geplanten Abbau von 11 750 Arbeitsplätzen beim insolventen Drogerieriesen Schlecker haben gestern in Ulm begonnen. Auch die Mitarbeiter in Trier und Umgebung wissen nicht, wie es weitergeht.

Trier. In den Ohren vieler Schlecker-Mitarbeiter, die derzeit um ihren Job bangen, muss das wie Hohn klingen: "Wir arbeiten gerne in unserem Schlecker-Markt", steht auf einem Handzettel, der, unterzeichnet mit "Ihre Familie Schlecker und Mitarbeiter", derzeit in vielen Filialen ausliegt. Auch in der im Trierer Stadtteil Zewen. Dort arbeitet Marlies Ausmeier. Die 60-Jährige ist Mitglied im Gesamtbetriebsrat der Drogeriekette. Wie es weitergeht mit den über 25 000 Mitarbeitern in den 5400 Filialen in Deutschland, weiß Ausmeier auch nicht. "Wir hängen absolut in der Luft." Die Ungewissheit sei zermürbend. Auch über den Verlauf der gestern begonnenen Sozialverhandlungen kann die engagierte Mitarbeitervertreterin nichts sagen. Es gebe keinerlei Information.
Transfergesellschaft geplant


Ziel der zweitägigen Verhandlungen in Ulm soll laut der Gewerkschaft Verdi sein, eine Transfergesellschaft zu gründen. Solche Gesellschaften haben ausschließlich das Ziel, die darin befristet Beschäftigten so schnell wie möglich wieder in neue Jobs zu vermitteln. Der Wechsel in eine Transfergesellschaft ist für die betroffenen Beschäftigten freiwillig. Über das Ergebnis der Verhandlungen werde der Gesamtbetriebsrat in der kommenden Woche im thüringischen Oberhof informiert, sagt Ausmeier. An diesem Donnerstag soll es eine Betriebsversammlung der Schlecker-Mitarbeiter geben.
Das Familienunternehmen Schlecker meldete am 23. Januar Insolvenz an. Ende März soll das Schlecker-Insolvenzverfahren eröffnet werden - ab April soll die Kette durch Stellenabbau und die Schließung von rund 2400 Filialen schwarze Zahlen schreiben. Mehr als 13 500 Arbeitsplätze sollen, so eine Mitteilung des Unternehmens, erhalten bleiben. Welche Märkte von der Schließung betroffen seien, werde nach den Gesprächen und einer endgültigen Abstimmung mit den Beschäftigten und den Gewerkschaften veröffentlicht, heißt es in der Mitteilung. Durch die in "in der Vergangenheit deutlich zu spät eingeleitete Restrukturierung" gebe es keine andere Alternative als "die harten Schnitte", wird Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz darin zitiert. Es sei nun wichtig, eine "überlebensfähige Basisstruktur" zu schaffen.
Von einst 70 Filialen zwischen Trier und Wittlich gibt es noch 29. Marlies Ausmeier geht davon aus, dass die Zahl noch weiter reduziert werde. Wenn es schließlich noch sechs Filialen gebe, sei das schon viel, meint sie. Bis Ende März, also bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist das Geld der Schlecker-Mitarbeiter zunächst gesichert. "Wir wissen nicht, wie es weitergeht", sagt die Betriebsrätin. Sie wird nach 22 Jahren bei der Drogerie-Kette im Mai in Altersteilzeit gehen. Doch viele ihrer Kolleginnen blicken in eine ungewisse Zukunft. Das Vertrauen in ihren Arbeitgeber dürften viele verloren haben. Auch wenn dieser auf seiner Internetseite damit wirbt: "Wir wollen der vertraute und offene Nachbar sein, der mit den Menschen klar und offen kommuniziert."
Extra

Filialen: Schlecker/Schlecker XL (Deutschland), Bestand: 5400, Abbau: 2400 (44,4 Prozent), IhrPlatz Bestand: 670, Abbau noch offen, Mitarbeiter: Schlecker/Schlecker XL (Deutschland), Bestand: 25 250, Abbau: 11 750 (46,5 Prozent), Mitarbeiter: IhrPlatz Bestand: 5350, Abbau noch offen. Quelle: Unternehmen/Stand 29.02.2012 dpa

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