"Wir müssen eisenhart bleiben"

Der Streik ist ausgerufen: Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) ruft zum Lieferboykott auf, um Handel und Molkereien unter Druck zu setzen. Bei dem derzeitig gezahlten Milchpreis ständen viele Landwirte vor dem Ruin, sagt der BDM.

Pronsfeld/Thalfang. "Wir müssen eisenhart bleiben", fordert Oliver Grommes aus Auw bei Prüm, BDM-Landesvorsitzender Rheinland-Pfalz. "Wir haben nur eine Chance, den Systemwechsel herbeizuführen." Bei Gesprächen mit den Molkereien im Vorfeld sei keine Bereitschaft zum Einlenken erkennbar gewesen. Im Handel erwartet Grommes ein "Riesenchaos", da die zu erwartende Produkt-Knappheit sofort zu Hamsterkäufen führe: "Der Verbraucher wäre bereit, für hochwertige Nahrungsmittel mehr zu zahlen, wenn mehr Geld beim Erzeuger ankäme."Eine von bundesweit zwei Haupt-Auftaktveranstaltungen des Streiks ist am heutigen Dienstag um 11 Uhr in Auw bei Prüm (Ortseingang aus Richtung Bleialf).Streik wäre ein absolutes Novum

"Wir boykottieren den Lieferstopp nicht, sondern tolerieren ihn", sagt Michael Horper, Vizepräsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau. Eine Teilnahme stehe in der unternehmerischen Entscheidung jedes einzelnen Betriebes. "Wir haben Verständnis dafür, sind allerdings davon überzeugt, dass damit die Gesetze des Marktes nicht auf Dauer außer Kraft gesetzt werden können", ergänzt Horper."Wenn die Lieferverträge nicht eingehalten werden, könnte es schnell zu einer Milchknappheit im Handel kommen", schätzt Waltraud Fesser von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. "Der Handel könnte allerdings versuchen, den Bedarf über Importe zu decken." Dauere der Streik länger an, so dass auch Milchprodukte betroffen seien, müssten Verbraucher versuchen, ihren Calcium-Bedarf etwa über Mineralwasser oder zur Not über Nahrungsergänzungsmittel zu decken. Der BDM em pfiehlt sozialen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Altenheimen und Kindergärten ausreichend Frischmilch einzukaufen, weil es zu Versorgungsengpässen kommen könne. Die Milchindustrie sieht indes in einem Lieferboykott keinen Ausweg: "Landwirte und ihre Molkereien stehen in einem engen wirtschaftlichen Verhältnis. Der Milchindustrie-Verband und seine angeschlossenen Mitglieder sehen sehr wohl die hohe Kostenbelastung der Milcherzeuger in Bezug auf die Rohmilchproduktion. Dennoch kann man mit einem Lieferboykott auf regionaler Ebene nicht die Regeln der freien Marktwirtschaft außer Kraft setzen", schreibt der Verband, dem insgesamt rund 100 Milch verarbeitende Unternehmen angehören. Viele deutsche Molkerein sind genossenschaftlich organisiert. Unklar blieb zunächst, welchen Umfang der Boykott tatsächlich haben wird. So wollte etwa der baden-württembergische Bauernverband nicht zum Lieferstopp aufrufen. Der Vorstands-Chef der Milchunion Hocheifel in Pronsfeld, Rainer Sievers: "Ein Streik wäre ein absolutes Novum." Meinung High Noon in der Milchbranche Den Milchbauern ist der Kragen geplatzt. Nachdem bei der jüngsten Preisrunde wieder die Bauern die Verlierer waren, wollen sich das die Landwirte nicht mehr länger gefallen lassen. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) hat einen "Milchstreik" ausgerufen, um Molkereien und den Handel unter Druck zu setzen. Das Ziel des BDM: Sie wollen 43 Cent für den Liter. "Milch ist Macht", sagt der BDM-Bundesvorsitzende Romuald Schaber. Aber, ob die Milchbauern mit ihrem Protest Erfolg haben, hängt vor allem von der Geschlossenheit des Berufsstandes ab. In einer BDM-Umfrage haben 88 Prozent für einen Lieferstopp gestimmt. Nur wenn die Milchbauern auch über einen gewissen Zeitraum ihren Protest flächendeckend aufrecht halten, können sie etwas erreichen. High Noon in der Milchbranche: Knicken die Bauern frühzeitig ein, verlieren sie weitaus mehr als nur Geld. Es geht um ihre Position gegenüber Handel und Molkereien. h.waschbuesch@volksfreund.de

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