"Wir müssen zwischen Staats- und Marktversagen unterscheiden"

Berlin · Die Bundesregierung feilt an einem neuen Rettungsplan für den Euro. Einem Pressebericht zufolge wird im Bundesfinanzministerium über einen Europäischen Stabilitätsfonds nachgedacht, der Euro-Ländern unter strengen Auflagen Hilfen in der Not anbieten soll.

(vet) Unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter sprach über die neuen Vorhaben mit dem Wirtschaftsweisen Peter Bofinger.

Herr Bofinger, gerade erst schien etwas Ruhe an der Euro-Front eingekehrt zu sein, nachdem man sich in der EU auf einen dauerhaften Rettungsschirm für die Zeit nach 2013 geeinigt hatte. Wie erklären Sie sich die neuen Überlegungen?

Peter Bofinger: Ein Stabilitätsfonds ist der Versuch, dem Krisenmechanismus eine konkrete Form zu geben. Wirklich ausgereift scheint mir die Sache aber nicht zu sein.

Warum?

Bofinger: Für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dem ich angehöre, ist entscheidend, dass es ganz unterschiedliche Gründe für die Krise eines Euro-Landes geben kann. Das Land kann schlecht gewirtschaftet haben. Aber auch ein ordentlich wirtschaftendes Land kann unter den Druck der Finanzmärkte kommen, zum Beispiel durch Ansteckungseffekte. In einem solchen Fall muss sich das Land zu relativ einfachen Konditionen refinanzieren können.

Und diese Differenzierung sehen Sie bei der Bundesregierung nicht berücksichtigt?

Bofinger: Richtig. Mein Eindruck ist, dass man im Bundesfinanzministerium davon ausgeht, wenn ein Euro-Land Probleme hat, ist es selbst daran schuld. Und entsprechend hart muss es dafür bestraft werden. Alle bisherigen Ideen zur Rettung des Euro gehen von einem Staatsversagen aus, nicht von Marktversagen.

Was schließen Sie daraus?

Bofinger: Daraus müsste zum Beispiel folgen, dass ein Land, welches durch Marktversagen ins Trudeln geraten ist, keine hohen Zinsaufschläge bezahlen bräuchte, um wieder finanziell ins Lot zu kommen.

Der deutsche Steuerzahler würde trotzdem zur Kasse gebeten werden, egal, ob es sich im Euro-Raum um Staats- oder Marktversagen handelt.

Bofinger: Zunächst einmal gewinnt der deutsche Steuerzahler, weil das Rettungspaket zum Beispiel für Irland wie eine Bank funktioniert. Der Rettungsfonds nimmt Geld zu niedrigen Zinsen auf und verleiht es dann zu höheren Zinsen an Dublin weiter. So lange die Zahlungsfähigkeit des Schuldners bestehen bleibt, ist das kein schlechtes Geschäft.

Ein nachhaltiger Krisenmechanismus soll erst in zwei Jahren greifen. Was passiert eigentlich, wenn vorher noch mehr EU-Länder in Schieflage kommen?

Bofinger: Das ist das Problem! Bis 2013 gibt es keine Schutzvorkehrungen, um größere Attacken der Finanzmärkte zum Beispiel gegen Länder wie Spanien oder Italien abzuwehren. Die von der Bundesregierung abgelehnten Euro-Bonds wären das geeignete Instrument für den Übergang. Damit könnten Problemländer ihre Zinskosten deutlich drücken, und der deutsche Steuerzahler würde nicht belastet.

Letzteres sieht die Bundesregierung ganz anders.

Bofinger: Eine gemeinsame Euro-Anleihe wäre nicht der Durchschnitt aus den nationalen Anleihen, wie es die Bundesregierung suggeriert, sondern eine neue Qualität. Wenn man Eier, Mehl und Wasser vermischt, kommt nicht ein jeweils bestimmter Prozentsatz dieser Zutaten heraus, sondern Teig für Spätzle. In unserem Fall wäre der Euro-Bond für die Finanzmärkte attraktiver als US-Staatsanleihen, da die öffentliche Neuverschuldung in den USA deutlich höher ist als im Euroraum und die Europäische Zentralbank sehr viel stabilitätsbewusster ist als die US-Notenbank.

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