Wirtschaft statt Religion?

BITBURG. Wirtschaft und Schule suchen nach dem "Zukunftsmodell Berufsbildung". In Bitburg machte die Industrie- und Handelskammer Trier (IHK) das Thema zum Schwerpunkt ihrer diesjährigen Vollversammlung.

 Muntere Podiumsrunde: TV -Redakteur Dieter Lintz (rechts) diskutiert mit Theo Scholtes, Hansjürgen Cornelius, Wolfgang Natus, Doris Ahnen und Hans Dieter Kaeswurm (von links).Foto: Patrick Lux

Muntere Podiumsrunde: TV -Redakteur Dieter Lintz (rechts) diskutiert mit Theo Scholtes, Hansjürgen Cornelius, Wolfgang Natus, Doris Ahnen und Hans Dieter Kaeswurm (von links).Foto: Patrick Lux

Wenn esum die Belange der Wirtschaft geht, scheut Wolfgang Natus keineKonflikte. Jüngst eckte der Präsident der IHK heftig mit denGewerkschaftsvertreten an, nun droht dem Unternehmer Ungemach mitder Kirche. Er hoffe, dass an den Schulen das Fach Ökonomieeingeführt werde. Zum Ausgleich könne man ja eine Stunde vomReligions-Unterricht abknapsen. Keine weiteren Schulfächer

Dennoch wird es nicht zum Proteststurm von den Kanzeln kommen, denn die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen versagt dem IHK-Chef in diesem Fall die Zusammenarbeit. Sie ist strikt gegen weitere Schulfächer. Ansonsten fanden beide, wenn es um die Perspektiven der Berufsbildung in Deutschland geht, auf vielen Feldern zusammen. Die Ministerin und der IHK-Präsident diskutierten gemeinsam mit Arbeitsamtsdirektor Hans Dieter Kaeswurm, Theo Scholtes, Vorsitzender des Studienkreises Schule-Wirtschaft Rheinland-Pfalz, und Hansjürgen Cornelius, Direktor der Berufsbildenden Schule Bitburg, über Chancen und Defizite in der deutschen Ausbildungslandschaft. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von TV -Redakteur Dieter Lintz und IHK-Hauptgeschäftsführer Arne Rössel. Dass die Zusammenarbeit zwischen Schule, Wirtschaft und Gesellschaft dringender denn je sei, machte Arbeitsamtsdirektor Kaeswurm klar. Nachdem in den vergangenen Jahren das Angebot und die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen ausgeglichen war, rein rechnerisch jeder Suchende auch eine Lehrstelle bekommen konnte, ist in diesem Jahr die Situation prekär. "Auf einen Schulabgänger kommen 0,8 freie Lehrstellen. Jetzt haben Sie als Unternehmer große Chancen, gute Jugendliche in Ausbildung zu nehmen", sagte Kaeswurm den rund 150 Unternehmern. Um Qualität und Verständnis in Sachen Ökonomie bei Lehrern und Schülern zu wecken, "müssen wir Lust auf Wirtschaft machen", sagte Theo Scholtes. Der frühere Realschullehrer, inzwischen Personalchef der Bitburger Brauerei, kennt beide Seiten und weiß um die Schwierigkeiten. Aktionen wie "Junior" oder "Jugend forscht" seien richtige Maßnahmen, doch auch in der Lehrerausbildung sollte der Praxisbezug stärker herausgestellt werden. Hansjürgen Cornelius erhofft sich für die Schulen durch größere Freiräume neue Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten.

Bei allen Bemühen müsse es aber eindeutige und verbindliche Standards geben, sagte Bildungsministerin Ahnen. "Diese übergreifenden Standards müssen eingehalten werden." Bei 1700 Schulen im Land mit rund 35 000 Lehrern ein anspruchsvolles Unterfangen. Gleichzeitig warnte die Ministerin, dass die Erweiterung des Fächerkanons der Schlüssel zum Erfolg sei. "Pisa hat uns gelehrt, dass wir nicht Fächer unterrichten, sondern Kinder und Jugendliche", sagte Doris Ahnen. In großen Teilen könne sie deshalb auch die Bitburger Erklärung der IHK unterschreiben.

Das Spitzenorgan der Kammer fordert beispielsweise, die Kernfächer zu stärken, ein Qualitätsmanagement an Schulen einzuführen, die Berufsorientierung zu verstärken und neue und flexible Berufsbilder zu schaffen.

Den Plänen, eine Ausbildungsplatzabgabe einzuführen, erteilte Natus eine eindeutige Absage: "Das bestraft Firmen, die durch die Versäumnisse der Politik bei Reformen, in einer tiefen Krise stecken."

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