Wittlicher Schlachthof durchsucht

WITTLICH. In einer groß angelegten Razzia haben Zollfahnder 200 Schlachthöfe und Baustellen in drei Ländern wegen möglicher illegaler Ausländerbeschäftigung durchsucht. Einer der Betriebe: der Schlachthof Simon in Wittlich. Während Chef Paul Simon sagt: "Bei uns ist alles in bester Ordnung", heißt es aus Fahnderkreisen: "Voll ins Schwarze getroffen."

Die Fahnder der Sonderkommission "Bunda" (zu deutsch: Mantel) schlugen am frühen Morgen nahezu zeitgleich in Deutschland, Österreich und Ungarn zu: Etwa 200 Geschäfts- und Wohnräume wurden durchsucht, fünf Tatverdächtige verhaftet, zwei weitere vorläufig festgenommen; daneben wurden Vermögenswerte in zweistelliger Millionenhöhe sichergestellt."Ohne Ungarn gäbe es uns nicht mehr"

Im Visier der Fahnder: illegal Beschäftigte in Schlachthöfen, Metallbetrieben und auf Baustellen. Die überwiegend aus Ungarn stammenden Männer sollen nach Erkenntnissen der Zollfahnder zu Dumpingpreisen in deutschen Betrieben gearbeitet haben, vermittelt von einem Büro in Darmstadt. Dessen Leiterin wurde bei der Razzia festgenommen. Nach einem bilateralen Regierungsabkommen dürfen ungarische Unternehmen ihre Arbeitnehmer im Rahmen so genannter Werkverträge nach Deutschland schicken. Voraussetzung ist aber: Die Arbeiter jobben hauptsächlich etwa in einem Schlachtbetrieb in ihrem Heimatland und werden nur zur Erledigung eines speziellen Auftrags (etwa die Zerlegung von 10 000 Schweinen) vorübergehend nach Deutschland entsandt. Nur dann gibt's auch eine befristete Arbeitserlaubnis der Bundesagentur für Arbeit. Im aktuellen Fall soll es sich bei den ungarischen Entsendebetrieben allerdings um Scheinfirmen gehandelt haben, die nur auf dem Papier existierten. Mindestens 1900 Ungarn sollen über Budapester Billig-Arbeiter-Rekrutierungsbüros in den letzten fünf Jahren in deutsche Betriebe vermittelt worden sein. Geschätzter Schaden für die Sozialversicherungsträger: 35 Millionen Euro. Unter den Betrieben, die unlängst Besuch von der Zollfahndung bekamen, war auch der Wittlicher Groß-Schlachthof Simon (350 Beschäftigte). Die 20 Beamten und Dolmetscher nahmen sich nach TV-Informationen einen ganzen Tag Zeit, befragten etwa die Hälfte der an diesem Tag in einer Schicht eingesetzten ausländischen Arbeitnehmer und beschlagnahmten Unterlagen. Mit welchem Resultat? "Kein Kommentar, die Ermittlungen und Auswertungen laufen noch", sagt Heinz Michael Horst, Sprecher der Kölner Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Von einem "Schuss ins Schwarze" bei der Simon-Durchsuchung spricht dagegen ein verantwortlicher Zollfahnder, der seinen Namen in der Öffentlichkeit nicht nennen will. Als Ergebnis der Durchsuchung seien "klare Verstöße gegen die Entsenderichtlinien" festgestellt worden. "Die Werkverträge waren nicht legal." Schlachthof-Simon-Chef Paul Simon ist sich dagegen keiner Schuld bewusst. "Bei uns sind die Dinge in Ordnung." Seit 1992 arbeiteten in seinem Betrieb auch Ungarn - "mit Genehmigung des Landesarbeitsamts". Die Leute seien "super untergebracht" (sechs Personen in einer 100-Quadratmeter-Wohnung) und würden "ordentlich entlohnt" (1300 bis 1800 Euro netto). Dass er überhaupt ausländische Arbeitnehmer beschäftige, hat laut Simon den simplen Grund, "dass wir keine deutschen Metzger bekommen". "Ohne die Ungarn", sagt er, "gäbe es uns schon gar nicht mehr." Während Paul Simon dem Ausgang der Ermittlungen nach eigenen Angaben gelassen entgegensieht, werden die teilweise geständigen Vermittler der "illegalen" Ungarn bereits bibbern. Bei einer Verurteilung drohen ihnen mehrjährige Haftstrafen. Während den ungarischen Arbeitnehmern selbst wahrscheinlich nichts passiert, müssen die deutschen Firmen, in denen sie gejobbt haben, mit hohen Nachforderungen der Sozialversicherungsträger rechnen.

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