Wo ein Wille, da auch ein Weg

Trier · Pünktlich zum Internationalen Frauentag gibt es Diskussionen um die Einführung einer Frauenquote in den Führungsgremien der Unternehmen. Aber auch ohne eine solche haben Frauen in der Region Trier bewiesen, dass sie auf eigenen Beinen stehen und erfolgreiche Unternehmerinnen sind.

Mit „We Can Do It!“ („Wir können es schaffen!“) sind in den 40ern amerikanische Frauen von Fabriken angeworben worden, als die Männer im Krieg waren. Später wurde das Bild zu einem Symbol der Frauenbewegung. Foto: Archiv

Mit „We Can Do It!“ („Wir können es schaffen!“) sind in den 40ern amerikanische Frauen von Fabriken angeworben worden, als die Männer im Krieg waren. Später wurde das Bild zu einem Symbol der Frauenbewegung. Foto: Archiv

Trier. An eine Frauenquote in Unternehmensspitzen hat Clara Zetkin, Erfinderin des Internationalen Frauentages 1911, damals wohl nicht gedacht. Würde sie noch leben, wäre ihr die aktuelle Lage in vielen Führungsetagen der Wirtschaft jedoch sicher ein ebenso großer Dorn im Auge, wie sie es EU-Kommissarin Viviane Reding ist, die gegebenenfalls unter Zwang mehr Frauen in die Firmenspitzen bringen will.
Unternehmen und Kammern, wie etwa die Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier, sind gegen eine Frauenquote. Auch wenn bei der Neubesetzung des Postens des Hauptgeschäftsführers nur fünf von 50 Bewerbungen von Frauen kamen, ist IHK-Hauptgeschäftsführer Arne Rössel gegen eine Quote. "Sie verweigert Leistung. In Familienunternehmen ist das Thema ohnehin nicht relevant", sagt er. Allerdings sieht auch Rössel Handlungsbedarf - bei mehr Führungsverantwortung in Teilzeit.

Ein positives Beispiel aus einer Männerdomäne ist Irene Schmitz, Geschäftsführerin der MSR Röntgenraumtechnische Systeme GmbH in Jünkerath (Vulkaneifelkreis). MSR baut und entwickelt Einrichtungselemente unter anderem für Krankenhäuser und Arztpraxen. "Ich bin immer noch eine Exotin in meiner Branche. Aber ich versuche den Kunden zu überzeugen", sagt die Chefin über 18 Mitarbeiter. Davon sind sieben Frauen, zwei davon ausschließlich technisch aktiv. Dass man sie in männlicher Begleitung schon mal als Sekretärin wahrnimmt, komme vor. Aber seit der Firmenübernahme 2003 von ihrem Vater ist sie selbstbewusst: "Ich sage einfach: Sie können auch mit mir sprechen. Am Ende entscheide nämlich ich - die Chefin." Dabei schließen sich Familie und Beruf für Irene Schmitz nicht aus. "Wir sind sehr flexibel. Meine Tochter ist die ersten Jahre im Büro groß geworden", sagt Schmitz. Wenn jemand sein Kind nicht in den Kindergarten bringen könne, dann könne das Kind auch mitkommen.
Von so viel Flexibilität träumen viele Arbeitnehmerinnen. "Es gibt in Rheinland-Pfalz etwa 3300 Frauen, die arbeiten würden, wenn sich Familie und Beruf besser kombinieren ließen", sagt Uta Hemmerich-Bukowski, Beraterin der Infostelle für innovative Arbeitszeitmodelle "Zeitzeichen", einer Infostelle des Landes. An Zeitzeichen ist auch das Institut für Mittelstandsökonomie in Trier beteiligt.
Flexibilität ist das Aushängeschild von Mediprint aus Schweich (Kreis Trier-Saarburg). Das Unternehmen mit 28 Mitarbeiterinnen und zwei Männern bietet medizinische Dokumentationen und Organisationsentwicklung an. Dass Mediprint 2010 als "Familienfreundlicher Betrieb Kreis Trier-Saarburg" ausgezeichnet wurde, liegt an der Arbeitsphilosophie der Chefin, Sonja Becker-Weidert. "Wenn ich jemanden einstelle, dann richte ich mich nach der Verfügbarkeit des Mitarbeiters", sagt sie. Alles sei flexibel, weil ihre Arbeiten auch überwiegend eine Organisationsherausforderung seien. Der Vorteil: "Ich habe sehr motivierte Mitarbeiter", sagt die 54-jährige Chefin. Großes Verständnis habe sie für Familien und ihre Betreuungsprobleme, sagt die zweifache Mutter und Oma.
Ähnlich ergeht es Ute Klassen, Mitinhaberin der Fleischerei Klassen in Temmels (Kreis Trier-Saarburg). Auch sie ist seit kurzem Oma und versucht, ihre Schwiegertochter wieder stundenweise in den Betrieb zu integrieren. "Ich lege sehr viel Wert darauf, dass die Mitarbeiter ihren Alltag verlässlich regeln können", sagt die 45-jährige Chefin von 30 Mitarbeitern (davon zwölf Männer). Überforderung schlage sich auf die Leistung nieder. Ihre Erfahrung zeigt aber auch: Gerade in Extremsituationen behielten die Frauen die Übersicht. "Man soll Frauen mehr zutrauen."Extra

 Irene Alt. Foto: privat

Irene Alt. Foto: privat

Welches sind die größten "Baustellen" zu mehr Gleichstellung? Die Beteiligung von Frauen im Erwerbsleben und in der Politik - insbesondere in Führungspositionen - ist nach wie vor ein Bereich, in dem es noch viel zu tun gibt. Der Frauenanteil in den rheinland-pfälzischen Kommunalparlamenten liegt im Durchschnitt bei nur 16,8 Prozent. Dabei stellen die Frauen die Hälfte der Bevölkerung. Werden sie nicht an der politischen Willensbildung beteiligt, entsteht ein Demokratiedefizit und ein Qualitätsmangel in der Politik. In Deutschland dreht sich die Diskussion um Gleichstellung von Mann und Frau derzeit überwiegend um die Frauenquote in Führungsetagen. Welches Modell favorisieren Sie? Wir streben mittelfristig eine Quote von mindestens 40 Prozent für die Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen an. Die Frauenquote in den Vorständen der DAX-30-Unternehmen beträgt derzeit weniger als vier Prozent. Vielerorts herrscht noch immer eine Männergesellschaft mit den dazugehörigen Ritualen. Das macht auch deutlich: In der Privatwirtschaft haben freiwillige Lösungen bislang kaum Wirkungen gezeigt. Daher brauchen wir eine verbindliche Quote. Was empfehlen Sie Arbeitgebern und Arbeitnehmern, um besser aufeinander zuzugehen? Unternehmen sollten einerseits das große Potenzial erkennen, das weibliche Beschäftigte ihnen bieten. Andererseits sollte sich eine neue Unternehmenskultur in Bezug auf die Vaterrolle etablieren, das hilft den Frauen. Väter, die sich Zeit für ihre Kinder nehmen, sollten Wertschätzung erfahren. Daneben müssen die Unternehmen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten. Die Frauen sollten im Gegenzug auch bereit sein, mehr Verantwortung zu übernehmen. sas

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