Ziemlich beste Freunde?

Paris/Rüsselsheim · Peugeot, Citroën und Opel machen gemeinsam dem Branchenprimus Volkswagen Konkurrenz. Doch die Zukunftsaussichten der Traditionsmarke mit dem Blitz bleiben zunächst unklar.

Paris/Rüsselsheim (dpa) Die Ansage ist ehrgeizig. Nicht weniger als einen "europäischen Champion" will PSA-Chef Carlos Tavares mit der Übernahme des deutschen Konkurrenten Opel schmieden. Doch bis beide Seiten wie in der französischen Filmkomödie "ziemlich beste Freunde" werden können, sind noch harte Sanierungsschritte nötig, meinen Experten. Vor allem in den Opel-Werken ist die Sorge mit den Händen zu greifen, dass nach einer Trennung von der bisherigen Konzernmutter General Motors (GM) Tausende Jobs auf der Strecke bleiben könnten.
Im fernen Paris versucht der gebürtige Portugiese Tavares, Bedenken zu zerstreuen. Seit er vor drei Jahren bei dem französischen Autobauer das Ruder übernommen habe, sei kein Werk auf der Strecke geblieben: "Eine Fabrik zu schließen, ist eher eine allzu simple Lösung", sagt der 58-Jährige, der den Konzern mit den Marken Peugeot, Citroën und DS mit harter Hand wieder in die Gewinnspur führte. Die Pläne seien auch nicht auf Stellenstreichungen gebaut: "Wir geben den Menschen eine Chance."
Doch die Wende ist natürlich nicht zum Nulltarif zu haben. Das Zauberwort heißt bei Tavares Wettbewerb, auch innerhalb des Unternehmens. Jeder habe die Möglichkeit, "Richtgrößen zu erreichen", und in dem neuen Verbund werde es "europäische Richtgrößen" geben.
Die Ansage ist klar: Opel-Werke müssen sich künftig bei Kosten und Qualität an Fabriken in Frankreich, Spanien oder Großbritannien messen lassen. Bis 2020 soll die bisherige General-Motors-Tochter wieder profitabel sein. Einen Drei-Jahres-Plan soll es dafür geben, bei dem das Opel-Management in der Pflicht ist.
Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer ist der Ansicht, zusätzliche Märkte oder erhebliche Mehrverkäufe seien mit der Übernahme nicht zu erreichen. PSA und Opel seien mit ähnlichen Modellpaletten beide zu stark auf Europa konzentriert. Beide hätten in den vergangenen Jahren beständig Marktanteile verloren. Tavares habe PSA in den vergangenen Jahren allein mit drastischen Sparmaßnahmen auf Gewinnkurs gebracht - ein Konzept, das er nun bei Opel wiederholen könnte.
"Am Ende macht ein Käufer doch, was er will", sagte der Berater Marc Staudenmayer. Tavares könne bei Opel "locker" 10 000 Arbeitsplätze streichen, wenn er die Produktion straffe und zentrale Funktionen künftig von Paris aus erledigen lasse. Zusagen zur Eigenständigkeit des Unternehmens Opel und Jobgarantien für die gut 38 000 Opelaner bis Ende 2018 scheinen wenig wert zu sein, denn nach den Maßstäben solcher Großübernahmen ist das bereits übermorgen.
Tavares unterstreicht, dass gemachte Vereinbarungen mit den Gewerkschaften eingehalten würden. Aber was kommt danach? Dazu fehlen noch klare Antworten. Die Zukunft solle gemeinsam gestaltet werden, erklärt Tavares - die Verantwortlichkeit von allen Beteiligten sei dabei gefragt. Der Autoboss aus Paris, der lange bei Renault arbeitete, lobt mehrfach Opel-Chef Karl-Thomas Neumann. Das Signal nach Rüsselsheim: Neumann soll bei Opel an Bord bleiben.
Die Gewerkschaften wissen, dass sie auch mit GM neu hätten verhandeln müssen. Sie sind stark daran interessiert, in die Planung der neuen Mutter eingebunden zu werden. Daher verzichtet die IG Metall auf öffentliche Kritik und Machtdemonstrationen.
Der europäische Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug sucht über die Ländergrenzen hinweg nach gemeinsamen Strategien. Das ist in der letzten Opel-Krise 2009 gründlich schiefgegangen, als britische Gewerkschafter einem kräftigen Lohnverzicht zustimmten, wenn statt Ellesmere Port die Werke Antwerpen und Bochum geschlossen würden.
Die PSA-Seite hat bereits eine harte Sanierung hinter sich, seit 2011 sind dort fast 30 000 Jobs gestrichen worden. Auch die beiden Vauxhall-Werke in Großbritannien könnten in abgespeckter Form gesetzt sein, um nach einem Brexit auf der Insel für den dortigen Bedarf zu produzieren. Damit konkurrieren Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach mit anderen Opel-Werken in Polen, Spanien und Österreich.

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